1.3.2.2 Vergaberecht
Artikel Einführung
Das Vergaberecht umfasst alle Regelungen und Vorschriften, die das Verfahren für die öffentliche Hand beim Einkauf von Gütern und Leistungen vorschreiben [1]. Es wird dabei zwischen nationalen und EU-weiten Regelungen und Vergabevorschriften unterschieden. Allerdings gelten diese EU-Richtlinien nur für Aufträge ab einer gewissen Größenordnung, oberhalb der so genannten Schwellenwerte. Die Schwellenwerte ergeben sich aus den EG-Vergaberichtlinien. Sie sind in § 2 Vergabeverordnung (VgV) zusammengestellt. Hintergrund dieser Regelungen sind Forderungen nach Wirtschaftlichkeit und Sparsamkeit sowie Wettbewerb. Bei Organisationsuntersuchungen berühren diese Regelungen hauptsächlich die Beteiligung externer Berater aus der Wirtschaft.
Das Vergaberecht ist eine komplexe und aktuell zahlreichen Änderungen unterworfene Materie. Dieses Handbuch kann daher nur einen groben Einblick geben. Eine umfassende Kenntnis der geltenden Regelungen ist jedoch unverzichtbar, wenn konkrete vergaberechtliche Maßnahmen anstehen. Wichtige Vorschriften zum Vergaberecht sind im Gesetz gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB), in der aktuellen Vergabeverordnung (VgV), der Vergabe- und Vertragsordnung für Leistungen (VOL) und der Vergabeordnung für freiberufliche Leistungen (VOF) nachzulesen. Allen Vorschriften liegen die tragenden Grundsätze des EU-Vergaberechts zugrunde: Nichtdiskriminierung, Transparenz und Wettbewerb. Diese Grundsätze spiegeln sich auch im nationalen Vergaberecht wider.
§ 2 VOL – Teil A – Grundsätze der Vergabe
(1) Aufträge werden in der Regel im Wettbewerb und im Wege transparenter Vergabeverfahren an fachkundige, leistungsfähige und zuverlässige (geeignete) Unternehmen zu angemessenen Preisen vergeben. Dabei darf kein Unternehmen diskriminiert werden.
(2) Leistungen sind in der Menge aufgeteilt (Teillose) und getrennt nach Art oder Fachgebiet (Fach-lose) zu vergeben. Bei der Vergabe kann auf eine Aufteilung oder Trennung verzichtet werden, wenn wirtschaftliche oder technische Gründe dies erfordern.
(3) Die Durchführung von Vergabeverfahren lediglich zur Markterkundung und zum Zwecke der Ertragsberechnungen ist unzulässig.
(4) Bei der Vergabe sind die Vorschriften über die Preise bei öffentlichen Aufträgen zu beachten.
Die Bedeutung der Vergabegrundsätze im Einzelnen:
Wettbewerb: Ein umfassender Wettbewerb in allen Phasen der Beschaffung soll eine kostengünstige Beschaffung und die Stärkung der Wirtschaft sicherstellen. Alle beschränkenden oder diskriminierenden Maßnahmen sind unzulässig und sollen unterbunden werden.
Nichtdiskriminierung: Allen Marktteilnehmern am Wettbewerb sind die gleichen Chancen einzuräumen. Es soll verhindert werden, dass durch Bevorzugungen das Vergabeverfahren oder die Zuschlagsentscheidung beeinflusst werden.
Transparenz: Zu jedem Zeitpunkt des Vergabeverfahrens sollen möglichst umfangreiche Informationen allen beteiligten Bewerbern und Bietern zur Verfügung gestellt werden. Ebenso sind alle Schritte und Entscheidungen nachvollziehbar zu dokumentieren.
Wirtschaftlichkeit: Der Zuschlag darf nur auf das wirtschaftlichste Angebot erteilt werden. Hierbei wird die Wirtschaftlichkeit anhand der angebotenen Leistung und des Preises gemessen. Der Preis hat hierbei große Bedeutung, ist jedoch nicht alleiniges Entscheidungskriterium.
Vergabe an geeignete Unternehmen: Aufträge sollen nur an geeignete Unternehmen vergeben werden, deren Leistungsfähigkeit, Fachkunde und Zuverlässigkeit im Vergabeverfahren nachgewiesen sind.
- Berücksichtigung mittelständischer Interessen: Durch die Teilung großer Aufträge soll auch mittleren und kleinen Unternehmen die Möglichkeit eingeräumt werden, sich am Wettbewerb zu beteiligen.
Ziel der Regelungen des Vergaberechts ist ein wirtschaftlicher Einkauf, der durch Wettbewerb sichergestellt werden soll.
Es gibt im Wesentlichen folgende Arten von Vergabeverfahren [2]:
Die öffentliche Ausschreibung (europaweit: offenes Verfahren), die einen unbeschränkten Kreis von Unternehmen zur Abgabe von Angeboten auffordert.
Die beschränkte Ausschreibung (europaweit: nicht offenes Verfahren), die vorsieht, dass nur ein beschränkter Kreis von Unternehmen zur Angebotsabgabe aufgefordert wird.
- Die freihändige Vergabe (europaweit: Verhandlungsverfahren), die als einziges Verfahren Verhandlungen mit den Unternehmen zulässt.
Bei außergewöhnlich komplizierten Vorhaben ist es darüber hinaus zulässig, im Rahmen eines so genannten "Wettbewerblichen Dialogs" gemeinsam mit potenziellen Auftragnehmern zunächst die zu vergebende Leistung zu definieren und anschließend das wirtschaftlichste Angebot auszuwählen.
Grundlage einer jeden öffentlichen Vergabe ist die Leistungsbeschreibung. Deren inhaltliche Qualität ist entscheidend für die Qualität der Angebote möglicher Dienstleister/Berater. Die zu erbringende Leistung ist darin präzise und vollständig, aber wettbewerbsneutral zu beschreiben, um Unklarheiten auszuschließen, Chancengleichheit zu ermöglichen und die Vergleichbarkeit der Angebote sicherzustellen.
Mit der Leistungsbeschreibung erhalten die Anbieter auch die Gliederung, nach der die Angebote erstellt werden sollen. Die Vergleichbarkeit der Angebote wird dadurch erleichtert (Muster Angebotsgliederung siehe Praxisbeispiele). Nach Fristende der Ausschreibung und ordnungsgemäßer Öffnung der Angebote folgt die Bewertung der Angebote. Nachdem der öffentliche Auftraggeber die Eignung der Bieter anhand der von ihm geforderten Nachweise zur technischen und finanziellen Leistungsfähigkeit festgestellt hat, ermittelt er das wirtschaftlichste Angebot auf der Basis von sachgerechten Wertungskriterien, die er in den Verdingungsunterlagen festgelegt, gewichtet und allen Beteiligten bekannt gemacht hat.
Fußnote
[1] Vgl.: BMWi (2012), Informationen zu Vergaberecht-Vorschriften.
[2] Vgl.: BMWi (2012), Informationen zu dem Vergaberecht.