6.3.3 Fehlermöglichkeits– und Einflussanalyse (FMEA)
Artikel Methoden und Techniken
(auch Failure Mode and Effects Analysis, FMEA)
Die Fehlermöglichkeits- und Einflussanalyse (Muster siehe Praxisbeispiele) ist eine Methode zur Analyse von Fehlerrisiken. Sie dient der systematischen Risikoanalyse bei komplexen Systemen oder Prozessen. Ziel der Anwendung ist das Erkennen, Nachvollziehen, Eingrenzen und Abstellen von potentiellen Schwachstellen und Risiken und somit die Vermeidung von Fehlern.
Der Einsatz einer Methode zur vorbeugenden Fehlervermeidung in den Bereichen Dienstleistung und Verwaltung ist sehr wichtig. Für diese Bereiche ist die Fehlervermeidung deshalb ein zentrales Thema, da in der Regel die Erbringung und der Konsum der Leistung gleichzeitig erfolgen. Eine Nachbesserung ist in den meisten Fällen nur schwer möglich, zumindest nicht ohne Schaden für die Reputation des Dienstleisters.
Unterschieden werden können die so genannte Produkt-FMEA (bestehend aus System- und Konstruktions-FMEA) und die Prozess-FMEA. In Organisationsuntersuchungen ist besonders die Prozess-FMEA von Bedeutung, sie befasst sich mit möglichen Schwachstellen in Leistungsprozessen.
6.3.3.1 Einsatzbereiche
Möglicher Einsatzbereich der Methode ist die Risikoanalyse des Organisationsprojektes selbst und vor allem die Analyse der Risiken und möglichen Fehler von Prozessen in der Soll-Konzeption.
Die Methode kann allein oder als Gruppenarbeit durchgeführt werden, wobei die Vorteile gruppendynamischer Prozesse auch hier genutzt werden sollten.
6.3.3.2 Verfahrensbeschreibung
1. Beschreibung des Prozesses/Systems
Die Eingrenzung und Dokumentation des Prozesses ist Voraussetzung für die spätere Analyse. Zu diesem Zweck werden die betroffenen Prozesse modelliert (Prozessmodelle), dokumentiert und die betroffenen Teilprozesse identifiziert.
2. Analyse potentieller Fehler, Folgen und Ursachen
Im nächsten Schritt werden systematisch alle potentiellen Fehler, deren Folgen und die verantwortlichen Ursachen untersucht. Dabei sollte anhand der folgenden Fragen vorgegangen werden:
- Welche Fehler können passieren?
- Welche potentiellen Fehler können in den identifizierten Teilprozessen auftreten (Anhaltspunkt: Fehler der Vergangenheit)?
- Welche Folgen hätte der Eintritt der Fehler?
- Zu jedem potentiellen Fehler wird anschließend geprüft, gegebenenfalls unter Einbeziehung der Leistungsempfänger, zu welchen Auswirkungen er führen könnte, welche potentiellen Folgen er haben könnte.
- Wodurch können die Fehler entstehen?
Weiterhin wird für jeden potentiellen Fehler untersucht, wodurch er entstehen könnte, also welche potentiellen Ursachen es für seine Entstehung gibt.
Bei jedem Teilprozess können mehrere potentielle Fehler entstehen. Jeder Fehler kann mehrere Folgen haben und für jede Kombination von Fehlern und Folgen können mehrere Ursachen verantwortlich sein.
3. Bewertung von Fehlern und Folgen
In diesem bewertenden Teil der FMEA wird das Risiko beurteilt. Es werden für jeden Fehler/jedes Risiko folgende Daten ermittelt:
- Auftrittswahrscheinlichkeit (A) – Wie wahrscheinlich ist es, dass dieser Fehler vorkommt beziehungsweise das Risiko eintritt?
- Bedeutung (B) – Welche Wirkung entsteht durch das Auftreten des Fehlers/das Eintreten des Risikos?
- Entdeckungswahrscheinlichkeit (E) – Wie wahrscheinlich ist es, dass das Auftreten des Fehlers beziehungsweise der Eintritt des Risikos bemerkt wird?
Jeder dieser drei Größen wird ein Wert aus folgender Bewertungsskala zugeordnet:
Auftrittswahr- scheinlichkeit (A) | Bedeutung (B) | Entdeckungswahr- scheinlichkeit (E) |
---|---|---|
1
| 1
| 1 - 2
|
2
| 2-3
| 3-4
|
3
| 4-6
| 5-6
|
4-6
| 7-8
| 7-8
|
7-8
| 9-10
| 9
|
9-10
| 10
|
Kriterien zur Bildung der RPZ, Quelle: REFA (2012).
Um das potentielle Risiko auszudrücken und bewerten zu können, wird jetzt eine Risikoprioritätszahl (RPZ) gebildet. Dabei gilt:
RPZ = A x B x E.
Es können so Risikoprioritätszahlen zwischen 1 und 1.000 entstehen, also:
1 ≤ RPZ ≤ 1.000.
Je höher die RPZ dabei ist, desto inakzeptabler ist der Fehler beziehungsweise das Risiko. Welchen Wert die RPZ erreichen darf ist aber nicht analytisch ableitbar, sondern empirisch festgelegt. Dabei kommt es natürlich auch darauf an, um welche Art von Prozess es sich handelt. Ist ein geschäftskritischer Prozess betroffen, ist sicherlich ein anderer Maßstab zu wählen als bei einem unterstützenden Prozess.
Eine mögliche Festlegung einer aus der RPZ entstehenden praktischen Konsequenz stellt die folgende Tabelle dar:
RPZ | Fehlerrisiko | Handlungsbedarf | Maßnahmen |
---|---|---|---|
100 ≤ RPZ ≤ 1.000 | hoch | dringender Handlungsbedarf | müssen formuliert und umgesetzt werden |
50 ≤ RPZ ≤ 100 | mittel | Handlungsbedarf | sollten formuliert und umgesetzt werden |
2 ≤ RPZ ≤ 50 | akzeptabel | kein zwingender Handlungsbedarf | können formuliert und umgesetzt werden |
RPZ = 1 | keines | kein Handlungsbedarf | keine |
Handlungsalternativen nach RPZ–Bildung
4. Beschreibung der Abstellmaßnahmen
Um potentielle Fehler und Risiken abzustellen oder zu mindern, sind deren identifizierte Ursachen zu beseitigen. Die geeigneten Abstellmaßnahmen sind zu beschreiben und der Prozess einer erneuten Analyse zu unterziehen. Die Rest-RPZ sollte danach kleiner (und möglichst akzeptabel) sein als die Ausgangs-RPZ des potentiellen Fehlers. Die Differenz aus Ausgangs- und Rest-RPZ gibt dabei das Maß an Qualitätsverbesserung des Prozesses wieder.
6.3.3.3 Bewertung
Vorteile:
- Durch die Vermeidung von Fehlern im Vorhinein der Leistung erhöht sich die Kundenzufriedenheit.
- Das Qualitätsbewusstsein der Beschäftigten wird gestärkt.
- Mögliche Fehler, Ursachen und Abstellmaßnahmen werden dokumentiert und können bei ähnlichen Prozessen als Hilfsmittel dienen.
Nachteil:
- Die detaillierte Analyse der betroffenen Prozesse verursacht nicht unerheblichen Aufwand.