1.7.4.5 Gestaltung des Kulturwandels

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Einführung

1.7.4.5.1 Voraussetzungen schaffen

Das Fundament eines bewusst gestalteten Kulturwandels liegt in einem klaren Mandat der Hausspitze und in der Unterstützung der Führungskräfte und Mitbestimmungsgremien. Wichtig ist außerdem eine breite Partizipation der Beschäftigten, um möglichst viele unterschiedliche Perspektiven einzubeziehen. Der mit dem Kulturwandel einhergehende Veränderungsprozess braucht Zeit und Ressourcen.
Vor dem Start sollten deshalb folgende Fragen kritisch beleuchtet werden, um die Erfolgschancen richtig einschätzen zu können und um ggf. zunächst erfolgskritische Voraussetzungen zu schaffen:

  • Wie groß ist die Bereitschaft zur Veränderung, d.h. werden die Ergebnisse einer Bestandsaufnahme auch tatsächlich für die Ableitung und Umsetzung von Maßnahmen der Kulturveränderung genutzt? Wird die Bereitschaft eher gering eingeschätzt, sollten möglicherweise zunächst Maßnahmen des Veränderungsmanagements in die laufenden und in neue Projekte integriert werden. Durch positive Erfahrungen mit Veränderungen können Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit im Allgemeinen gestärkt werden. Die Erfolgsaussichten für einen Prozess des Kulturwandels sind dann größer.
  • Wann ist der richtige Zeitpunkt, mit einem Prozess des Kulturwandels zu beginnen? Wie kann es gelingen, die Organisation nicht zu überfordern, wenn alle gleichzeitig ein erhebliches Pensum an Tagesgeschäft zu bewältigen haben?
  • Was sind die Einflussfaktoren für einen nachhaltigen Erfolg des Prozesses? Am besten spielt man den kompletten Prozess einmal gedanklich durch: Was wollen wir erreichen? Was wollen wir dazu tun, welche Maßnahmen sollen ergriffen werden? Wer sind die Akteure, wer übernimmt welche Rolle? Wie und wann wollen wir den Erfolg nachhalten?

1.7.4.5.2 Bewertung des Ist-Zustandes durchführen

Über Dialog- und Feedbackprozesse können sich Behörden Klarheit darüber verschaffen, wie sie in den unter Abschnitt 1.7.4.3 genannten (und ggf. weiteren als relevant erkannten) Handlungsfeldern aufgestellt sind und wo Verbesserungspotenziale liegen. Dialog und Feedback sind die zentralen Methoden in diesem Prozess, ohne die eine Weiterentwicklung der Führungs- und Organisationskultur, die die Interessen und Bedürfnisse der Behördenleitung und der Beschäftigten auf allen Ebenen gleichermaßen berücksichtigt, kaum vorstellbar ist.

Wer nicht weiß, wo er steht, weiß auch nicht, wohin er sich bewegen muss, um sein Ziel zu erreichen. Deshalb steht zu Beginn des Prozesses eine Bewertung des Ist-Zustandes. Sie gibt Aufschluss darüber, wie von den Beteiligten der Status quo zu verschiedenen Handlungsfeldern gesehen wird.

Dazu müssen die zu bewertenden Handlungs- oder Themenfelder identifiziert und durch gezielte Fragestellungen konkretisiert werden. Beispiele möglicher Fragestellungen sind im Audit „Zukunftsfähige Unternehmenskultur“ enthalten.[29]

Für die Bewertung des Ist-Zustandes bieten sich folgende Methoden an:

  • Online-Befragung der Beschäftigten und der Hausleitung,
  • Workshops,
  • Einzel- oder Gruppeninterviews mit der Hausleitung, mit Verantwortlichen der Personal- und Organisationsreferate und den Beschäftigtenvertretungen.

Die Ist-Erhebung kann sowohl für die Gesamtorganisation als auch für einzelne Organisationseinheiten oder Teams durchgeführt und ausgewertet werden.

1.7.4.5.3 Bewertungsergebnisse analysieren

Das Herzstück des Prozesses ist die Arbeit mit den Ergebnissen der Bewertung des Status quo in einem dialogorientierten Verfahren. Hier wird ersichtlich, wo die Bewertungen der Hausleitung und Führungskräfte einerseits und die der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter andererseits voneinander abweichen. Es wird deutlich, wo die Stärken liegen und wo Entwicklungsbedarf besteht. In Workshops und Dialogrunden können auf dieser Basis Organisations-, Kultur- und Führungsfragen besprochen werden. Gemeinsam gilt es zu überlegen, was beibehalten und was weiterentwickelt, verändert oder aufgegeben werden soll. Behörden haben sich dabei z. B. mit folgenden Fragestellungen beschäftigt:

  • Wie überwinden wir unsere Silos?
  • Wie schaffen wir es, konsequenter unsere Nutzerinnen und Nutzer im Blick zu behalten?
  • Wie können wir das Lernen noch selbstverständlicher in unsere Arbeit integrieren?
  • Wie können wir neue Arbeitsformen besser nutzen? Wie müssen sich dafür ggf. räumliche Bedingungen ändern?

1.7.4.5.4 Ziele und Maßnahmen ableiten

Aufgrund der Diskussion und gemeinsamen Bewertung des Ist-Zustandes werden Ziele (Wo wollen wir hin?) und Maßnahmen (Wie kommen wir dahin?) abgeleitet und ggf. priorisiert. Maßnahmen können für die Organisation insgesamt, aber auch für einzelne Organisationseinheiten (z. B. Abteilungen, Referate) geplant und umgesetzt werden. Von großer Bedeutung ist, dass die Maßnahmenplanung sorgfältig dokumentiert und mit einem Zeitplan, Verantwortlichen und Beteiligten sowie ggf. erforderlichen Ressourcen versehen wird.

Die Umsetzung der Maßnahmenpläne muss von der jeweiligen Leitung (Behördenleitung oder Leitung der betreffenden Organisationseinheit) autorisiert werden.

1.7.4.5.5 Maßnahmen umsetzen

Die Entwicklung und Umsetzung konkreter Maßnahmen erfolgt anschließend in kleineren oder auch größeren Projekten oder temporären Arbeitsgruppen. Diese themenspezifischen Gruppen sollten in einem offenen Verfahren mit Freiwilligen besetzt werden. Mit freiwilligen Mitstreitern und Mitstreiterinnen lässt sich sehr schnell ein hervorragendes Unterstützernetzwerk etablieren. Von Bedeutung ist, dass die Gruppen durch eine entsprechende Infrastruktur unterstützt werden und eine Steuerungsgruppe (Lenkungskreis) dafür Sorge trägt, dass keine Doppelarbeiten entstehen, dass Synergie-Effekte genutzt und die Ergebnisse der Gruppen aufeinander abgestimmt sind sowie eine regelmäßige Kommunikation über den Stand der Umsetzung erfolgt.

Für manche Maßnahmen kann sich auch das ergebnisoffene Experimentieren eignen. Hier wird in kleinen Schritten Neues ausprobiert, wieder verworfen und erneut gestartet.

1.7.4.5.6 Umsetzungsstatus und Wirksamkeit überprüfen

Bereits prozessbegleitend sollte in festgelegten Intervallen mit den Beteiligten einer Maßnahme ein Austausch darüber stattfinden, wie die Umsetzung voranschreitet, wo es ggf. Stolperfallen oder Hindernisse gibt, die Maßnahme modifiziert oder die Umsetzung auch abgebrochen werden sollte. So kann frühzeitig auf Schwierigkeiten oder neue Erkenntnisse während der Umsetzungsphase reagiert werden.

Nach Abschluss von Maßnahmen zur Weiterentwicklung der Führungs- und Organisationskultur sollte nach einer angemessenen Erprobungszeit ein Austausch darüber stattfinden, inwieweit erwünschte Wirkungen bereits wahrnehmbar sind, ob sich Maßnahmen als wirkungslos erwiesen haben oder welche Nachbesserungen erforderlich sind. Da ein „Nachweis“ über die Wirksamkeit von Maßnahmen in diesem Bereich sehr schwierig sein dürfte, ist es besonders wichtig, in deren Beurteilung ein möglichst breites Spektrum an Wahrnehmungen und Perspektiven einzubeziehen. Dieser erneute bereichs- und hierarchieübergreifende Dialog kann selbst für sich bereits zu einem Kulturwandel beitragen.

Die Veränderungen der Arbeitswelt erfordern es, einmal implementierte Leitbilder, Grundsätze für Führung und Zusammenarbeit usw. in regelmäßigen Zyklen zu hinterfragen und ggf. anzupassen. Diese immer wiederkehrende Auseinandersetzung trägt dazu bei, dass die Instrumente im Bewusstsein und somit handlungsleitend bleiben. Besonders wertvoll sind diese Dialoge auch für die Integration neuer Kolleginnen und Kollegen. Die Kultur- und Organisationsentwicklung sollte deshalb nach einem initialen Projekt als Daueraufgabe angelegt und organisatorisch verankert werden, beispielsweise im Stab, im Organisationsreferat oder im zentralen Veränderungsmanagement. Der Prozess „Gestaltung des Kulturwandels“ ist in Abb.1 im Überblick dargestellt.

Gestaltung des Kulturwandels/Bildquelle: BMI Abb.1: Der Prozess „Gestaltung des Kulturwandels“ im Überblick

1.7.4.5.7 Erfolgsfaktoren

Von zentraler Bedeutung für den Prozess sind Mehrperspektivität, Offenheit, Transparenz und Professionalität. Um diese Faktoren angemessen zu berücksichtigen, haben sich u.a. folgende Maßnahmen bewährt:

  • Einrichten einer Arbeits- oder Projektgruppe

    Diese Gruppe sollte bereichs-, abteilungs-, hierarchie- und laufbahnübergreifend sowie alters- und geschlechtergemischt zusammengesetzt sein. So werden unterschiedliche Perspektiven der Beschäftigten integriert. Akzeptanz und Wertschätzung des Veränderungsprozesses lassen sich so innerhalb der Belegschaft sichern und das Ideenpotenzial der Beschäftigten für die Planung und Umsetzung weiterer Entwicklungsschritte umfänglich nutzen.

    Zudem sollten im Sinne einer partnerschaftlichen Ausgestaltung der Arbeitsbedingungen auch die Personalvertretungen sowie die Schwerbehinderten-, Datenschutz- und Gleichstellungsbeauftragten im Rahmen der vertrauensvollen Zusammenarbeit eingebunden werden. Zu den Aufgaben der Arbeits- oder Projektgruppe gehört es:

    • die Inhalte für die Bestandsaufnahme zu entwickeln und durch konkrete Fragestellungen zu operationalisieren,
    • eine Bewertungsskala festzulegen,
    • die Erhebungsmethode festzulegen,
    • Online-Befragungen, ggf. Interviews und Workshops durchzuführen,
    • Auswertungen vorzunehmen.
  • Prozessbegleitende Information der Beschäftigten

    Veränderungsprozesse greifen vor allem dort, wo Vertrauen in die Vorgehensweise entsteht und eine Veränderungsbereitschaft vorhanden ist. Zentral für ein gutes Gelingen des Prozesses (hohe Rücklaufquoten bei der Befragung, breite Beteiligung am Dialogprozess) ist die frühzeitige und kontinuierliche Information zum Befragungsprozess, den Datenschutz-Regelungen, zur Auswertung der Ergebnisse und zu den daraus abgeleiteten Maßnahmen. Zu empfehlen sind hier u.a. gemeinsame Informationsschreiben der Hausleitung und des Personalrats. Auch Personalversammlungen, aktuelle Meldungen im Intranet einschließlich FAQs (frequently asked questions, häufig gestellte Fragen) eignen sich zur Sicherstellung einer kontinuierlichen Information. Weitere mögliche Maßnahmen des Veränderungsmanagements finden sich im Abschnitt Veränderungsmanagement .

  • Externe Begleitung / Coaching

    Aufgabe einer externen Begleitung kann die Steuerung und Strukturierung des Gesamtprozesses sein. Hilfreich ist auch die Unterstützung bei der:

    • Erstellung des Fragebogens,
    • Aufbereitung der Befragungs-, Interview- und Workshop-Ergebnisse,
    • Sicherstellung einer kontinuierlichen Information und Kommunikation,
    • Moderation der Projektgruppensitzungen und Teamdialoge,
    • strukturierten Bearbeitung der Handlungsfelder,
    • Schwerpunktsetzung von Maßnahmen.

So können sich alle internen Beteiligten auf die fachlichen Aspekte konzentrieren. Insbesondere die Führungskräfte können damit von einer Doppelrolle entlastet werden.

Fußnote

[29] https://www.inqa-audit.de/fileadmin/user_upload/1906_INQA_Audit_Broschuere_Web.pdf