2.3.1 Grundlagen

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Organisationshandbuch

Die Analyse und Optimierung von Prozessen steht im Fokus vielfältiger Organisations- und Modernisierungsvorhaben, vor allem dann, wenn es um die Digitalisierung von Prozessen geht. Nach § 9 des E-Government-Gesetzes (EGovG) sollen Behörden des Bundes Verwaltungsabläufe, die erstmals zu wesentlichen Teilen elektronisch unterstützt werden, zunächst dokumentieren, analysieren und optimieren, bevor informationstechnische Systeme eingeführt werden[2]. Insbesondere Kundenorientierung und wirtschaftliches Verwaltungshandeln setzen optimierte Prozesse hinsichtlich ihres Ablaufs, ihrer Ergebnisse und des Ressourceneinsatzes voraus.

Während die Aufgabe beschreibt, was die Organisation zur Erfüllung ihres (gesetzlichen) Auftrages und ihrer Ziele tun muss, wird in den Prozessen festgelegt, wie die Organisation ihre Aufgaben wahrnimmt. Aufgaben müssen heute aufgrund der Dynamik von Veränderungen und der zunehmenden Komplexität schneller als bisher angepasst und weiterentwickelt werden. Dazu sind die Prozesse entsprechend zu modifizieren, wobei eine Aufgabe in der Regel in mehreren miteinander verknüpften Prozessen wahrgenommen wird.

Prozessdokumentation und detaillierte Prozesskenntnisse bilden die Basis für eine kontinuierliche und systematische Prozessorientierung. Die traditionelle Orientierung an Hierarchien, Funktionen und Zuständigkeiten (Aufbauorganisation) ist durch eine umfassende Prozesssicht zu ergänzen, in deren Mittelpunkt die Anforderungen von Bürgerinnen und Bürgern und weiteren Leistungsadressatinnen und -adressaten stehen. So kann es gelingen, organisatorische „Silos“ aufzubrechen und die Aufgabenwahrnehmung als Ende-zu-Ende-Prozesse zu gestalten, d. h. von den Erwartungen und Bedürfnissen der Zielgruppe ausgehend einen durchgängigen Prozess zu gestalten, der auf effektive und effiziente Weise zu adäquaten Ergebnissen (Output in Form von Leistungen und Produkten) führt.[3]

Dazu sind Prozesse zunächst zu identifizieren (Worüber genau sprechen wir? Womit startet der Prozess? Womit endet der Prozess?), zu erheben und zu dokumentieren. Anforderungen an die Prozessleistung[4] und die Outputs sind zu definieren und messbar zu machen.

Viele Behörden haben bereits Erfahrungen mit anlassbezogenen oder punktuellen Prozessoptimierungen gesammelt, z. B. im Rahmen von Organisationsuntersuchungen und weiteren Organisationsprojekten (z. B. Einführung von Fachverfahren, Abstimmung von Zuständigkeiten). Hier kann aufgesetzt werden, indem nun auch unabhängig von konkreten Anlässen Organisationen damit beginnen, eine möglichst vollständige Übersicht ihrer Prozesse zu entwickeln, diese in eine Ordnung zu bringen, zu dokumentieren und zu analysieren, um auf dieser Basis die Prozesse zu optimieren sowie die Einhaltung von Abläufen zu unterstützen bzw. sicherzustellen. Die Prozessoptimierung darf dabei nicht als einmalige Aktion verstanden werden, sondern der Auftakt zu einer kontinuierlichen Prozesssteuerung sein.

Wichtig/Bildquelle: BMI

Führungskräfte sollten die Förderer des prozessorientierten Arbeitens in ihren Verantwortungsbereichen sein. Sie sollten das Prozessdenken und die damit einhergehende Kunden- und Ergebnisorientierung ihrer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter fördern, indem sie mit diesen gemeinsam die im Folgenden beschriebenen Schritte durchlaufen, die Beschäftigten entsprechend fortbilden und diesen Veränderungsprozess mit Maßnahmen des Veränderungsmanagements begleiten.

Die Erfahrungen mit anlassbezogenen Optimierungen einzelner Prozesse und dezentralen Ansätzen der kontinuierlichen Prozesssteuerung sind wichtig für die Entwicklung eines Prozessverständnisses und zur Förderung einer Prozesskultur innerhalb der Organisation. Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die hier bereits Know-how gesammelt haben, können später als Multiplikatorinnen und Multiplikatoren im übergreifenden[6] Prozessmanagement eingesetzt werden und hier ggf. eine der dann erforderlichen Rollen für die Prozesssteuerung übernehmen.

Es wird empfohlen, bei einer angestrebten prozessorientierten Arbeitsweise auch ein übergreifendes Prozessmanagement einzuführen. Welche Aktivitäten und organisatorischen Regelungen hierzu erforderlich sind, ist in Abschnitt 3.3 „Prozessmanagement“ dargestellt und dort in einem Top-Down-Ansatz beschrieben. In der Praxis werden die ersten Prozessoptimierungs- und steuerungsmaßnahmen oftmals in den Fachreferaten durchgeführt und in einem Bottom-Up-Ansatz umgesetzt, der eher langfristig in einem Prozessmanagementansatz mündet. Es liegt dann in der Natur der Sache, dass die Fachbereiche ohne übergreifende Vorgaben eigene Vorgehensweisen entwickeln, bereichsspezifische Rollen und Aufgaben festlegen oder Prozessmodelle mit ganz unterschiedlichen Werkzeugen erstellen. Dieser Praxisansatz bildet eine gute Basis an Inhalten und Erfahrungen für die spätere Einführung eines übergreifenden Prozessmanagements. Außerdem sollte immer sichergestellt werden, dass diese einzelnen eigenen Vorgehensweisen immer im Abgleich mit den Auswirkungen auf damit verbunden Prozessen betrachtet und entwickelt werden. Damit sich nicht einzelne Vorgehensweisen und Verständnisse zu sehr verfestigen, die dann nur noch schwer zu ändern sind, sollte von zentraler Stelle möglichst frühzeitig ein verbindliches Rahmenwerk für die anzuwendenden Gestaltungsregeln (z. B. Modellierungshandbuch), Modellierungswerkzeuge (z. B. über Toolgrenzen austauschfähiger Standard) und Rollen als Mindeststandard festgelegt werden.

Fußnote

[2] E-Government-Gesetz
[3] Vgl. Hopp, Göbel 2008, S. 206 f. Ein Ende-zu-Ende-Prozess umfasst alle Aktivitäten, die zur Erfüllung eines konkreten Kundennutzens notwendig sind. Die Bezeichnung „Ende-zu-Ende“ soll bewusst machen, dass sich der Prozess ausgehend von einem definierten Bedarf bis zur Erstellung der entsprechenden Leistung erstreckt und nicht an aufbauorganisatorischen Grenzen Halt macht.
[4] „Die Prozessleistung ist das Ergebnis eines Prozesses für interne oder externe Kunden. In der öffentlichen Verwaltung wird die Prozessleistung häufig durch Gesetze, Richtlinien oder Verwaltungsvorschriften vorgegeben. Hierbei ist zu beachten, dass Prozessleistungen nicht an Organisationseinheiten, sondern an andere Prozesse übergeben werden“, Schallmo, Brecht 2017, S, 27.
[5] REFA-Bundesverband für Arbeitsstudien e.V., Abruf:20.09.2021.
[6] Begriff „übergreifend“ auch im Sinne von „ganzheitlich“, vgl. KGSt-Bericht 4/2011, S. 9.

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