2.3.5 Prozessablauf erheben und dokumentieren

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Organisationshandbuch

Sollen für eine Organisationseinheit alle besonders relevanten Prozesse erhoben werden, konzentriert man sich auf die zuvor priorisierten Prozesse. Geht es im Rahmen eines Organisations- oder Digitalisierungsprojekts um einen oder mehrere konkrete Prozesse, die optimiert und ggf. anschließend digitalisiert werden sollen, wird mit diesen gestartet.

In der Erhebung eines Prozessablaufs werden alle Aktivitäten vom Prozessinput bis zum Prozessoutput dokumentiert. Ein wichtiges Ziel dieser Erhebung ist es, ein einheitliches Verständnis von Zweck, Ziel und Grenzen der Prozesse bei allen Prozessbeteiligten zu entwickeln. Nur auf dieser Basis können die Prozessbeteiligten gemeinsam ihren Prozess analysieren, optimieren und durch Kennzahlen zielgerichtet messbar machen. Schließlich spielt die Prozessdokumentation auch für die Kommunikation zwischen den Verantwortlichen an den Schnittstellen eine große Rolle: "Um die sogenannten Schnittstellen zu definieren, ist für jeden Prozess festzuhalten, welches Ergebnis in welcher Form vom vorhergehenden Prozess übergeben, wie dieses Ergebnis weiterverarbeitet und in welcher Form das weiterverarbeitete Ergebnis an den anschließenden Prozess weitergegeben wird".[18]

Prozessdokumentation ist kein Selbstzweck! Wenn sie nach Abschluss der (teilweise sehr aufwändigen) Arbeiten mit viel Engagement der Prozessbeteiligten in der Schublade verschwindet, ist nichts gewonnen. Erst wenn sie als Basis für Analyse und Verbesserung genutzt wird, entfaltet sie einen Mehrwert.

2.3.5.1 Arten der Ablaufdokumentation

Ein Prozessablauf kann grundsätzlich als

dokumentiert werden. Beide Varianten haben sich in der Praxis als anwenderfreundlich und verständlich erwiesen. Welche Art der Ablaufdokumentation in einem konkreten Fall am geeignetsten ist, hängt u. a. vom Adressatenkreis, von der Komplexität des Prozesses, von den Zielen und Zwecken der Dokumentation sowie von der Verfügbarkeit eines Modellierungstools ab. Lange Fließtexte werden nicht von jedem gerne gelesen und eine rein textliche Beschreibung eines komplexen Prozesses kann schnell unübersichtlich und ungenau werden. Soll ein Prozess zu Gunsten einer besseren Übersichtlichkeit und Verständlichkeit visualisiert werden (z. B. mit einem Modellierungstool), muss er zunächst vollständig erhoben und abgestimmt sein, um Doppelarbeiten zu vermeiden. Es empfiehlt sich in der Praxis gerade zu Beginn die Regelfälle (ABC-Analyse: A-Fälle) im Prozess abzubilden und zu beschreiben. Dies fördert das Grundverständnis bei den Beteiligten. Auf dieser Basis lässt sich der Prozess dann weiter ausdifferenzieren.

  • Textliche Beschreibung

In einem Steckbrief können die wichtigsten Prozessmerkmale einschließlich des Inputs und Outputs in übersichtlicher Form zusammengefasst werden.

In der Praxis haben sich die folgenden Mindestangaben als nützlich erwiesen:

  • eindeutige Prozessbezeichnung (Objekt + Verrichtung),
  • Zuordnung als Kern-, Unterstützungs- oder Führungsprozess,
  • Benennung der Handlungsgrundlage,
  • Benennung von Input und Output,
  • prozessverantwortliche Führungskraft,
  • Prozessbeteiligte,
  • Kennzahlen (z. B. Personalressourcen, Fallzahlen),
  • IT-Unterstützung,
  • zusammenfassende textliche Beschreibung des Ablaufs.

Je nach Adressatenkreis, Informationsziel und Zweck des jeweiligen Steckbriefs kann eine detailliertere oder kompaktere Darstellung sinnvoll sein.

Anhand einer grafischen Beschreibung sind parallele, mehrfach durchzuführende und alternative Arbeitsschritte schnell zu erfassen und in einfacher Form darzustellen. Eine solche Ablaufdarstellung kann dabei mit den Prozess-Beteiligten auch mit einfachen Hilfsmitteln erarbeitet und visualisiert werden. Erst wenn der Ablauf feststeht, sollte ggf. mit der Modellierung in einer vordefinierten Form begonnen werden.

Bei der Prozessmodellierung wird der Ablauf eines Prozesses in eine formale Beschreibungssprache übersetzt, eine sogenannte Notation. Die verschiedenen Notationen verwenden bestimmte vorgegebene Symbole zur grafischen Beschreibung. Die gängigsten Notationen sind:

  • Business Process Model and Notation (BPMN ),
  • Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK),
  • Flussdiagramme.

BPMN steht für Business Process Model and Notation und wird oftmals für die Darstellung komplexer Prozesse verwendet. Die BPMN 2.0 wurde 2011 von der "Object Management Group" (OMG) verabschiedet und steht seit 2013 als internationale Norm ISO/IEC 19510:2013-07 zur Verfügung. Dieser Standard stellt Symbole zur Verfügung (Modellierung der jeweiligen Satellitenobjekte an den Aktivitäten in den Prozessen), mit denen Fach- und IT-Bereiche gleichermaßen komplexe Prozesse darstellen können.

verweist auf: Praxisbeispiel BPMN-ProzessmodellierungQuelle: Fa. Orca

Abbildung 7: Beispiel einer BPMN-Prozessmodellierung

Die ereignisgesteuerte Prozesskette (EPK) ist eine Notation, mit der sich mehrere "Säulen" modellieren lassen, die den jeweiligen Themenbereich (z. B. Strategie, Prozesse, Dienstleistungen, Organigramme) in einem eigenen Ebenenmodell darstellen. Diese Ebenen werden durch Modellierung der jeweiligen Satellitenobjekte an den Aktivitäten in den Prozessen (im Funktionszuordnungsdiagramm, FZD[19] ) miteinander verbunden. Dadurch kann
z. B. ausgewertet werden, welche Aktivität welche Dienstleistung beeinflusst, welches Anwendungssystem von welchen Arbeitsplätzen genutzt wird, welche Aktivitäten sich auf die Strategie auswirken und es können Aufgabengliederungen generiert werden.

Das Flussdiagramm sieht oftmals eine Dreiteilung der Modellierung in die Daten-, Prozess- und Organisationssicht vor. In der Datensicht werden Datenein- und -ausgabe beschrieben, in der Prozesssicht wird der eigentliche Ablauf dargestellt. Hierbei wird zwischen Prozess-Schritten und Entscheidungen unterschieden. In der Organisationssicht wird die zuständige Organisationseinheit benannt.

Bei der grafischen Darstellung besteht die Herausforderung darin, einerseits den tatsächlichen Ablauf möglichst genau wiederzugeben, dabei aber andererseits eine zu hohe Komplexität zu vermeiden.

Möchte eine Organisationseinheit in ihrem prozessorientierten Arbeiten erste Erfahrungen mit einem Modellierungstool sammeln, so sollte die Beschaffung mit dem Organisationsreferat abgestimmt werden. Auf längere Sicht ist unbedingt zu empfehlen, dass für alle Organisationseinheiten ein einheitliches Tool und eine gemeinsame Notation genutzt werden. Die Notation kann durch eigene, behördenspezifische Konventionen bedarfsgerecht angepasst werden (vgl. Prozessmanagement, Unterabschnitt 3.3.2.5 Standards definieren).

Jede Notation hat ihre Vor- und Nachteile. Daher gilt es festzulegen, welche Kriterien für die Darstellung wichtig sind. So wird beispielsweise zur Sicherstellung der FIM-Konformität eine Modellierung mit der Notation BPMN 2.0 empfohlen[20] (Mögliche Unterstützung durch das Förderale Informationsmanagement FIM).

Insgesamt sind für die Auswahl eines geeigneten Modellierungstools der Anwendungszweck, die Ziele der Organisation sowie die Art und Anzahl der zu modellierenden Prozesse zu klären. Sobald mehrere Prozesse in vielfältiger Art und Weise abzubilden sind, bietet es sich an, spezialisierte Modelliererinnen und Modellierer auszubilden und einzusetzen (Prozessmanagement, Rollenkonzept). Ausführliche Informationen zur Erhebung und Dokumentation von Prozessen finden sich in den folgenden Leitfäden.

Fußnote

[18] Wagner, Käfer 2010, S. 5.
[19] Das Funktionszuordnungsdiagramm (FZD) ist ein Modell zur Darstellung der Beziehungen von betriebswirtschaftlichen Funktionen zu Ressourcen, Informationsobjekten und weiteren Objekten der Prozessmodellierung. Es findet hauptsächlich bei der detaillierten Darstellung von Prozessen Anwendung, wo es eine Funktion näher beschreibt.
[20] Vgl. Gesellschaft für Informatik, 2015, S. 819 ff.

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