2.3.7 Soll-Prozesse entwickeln und implementieren

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Organisationshandbuch

Sind die dokumentierten Prozesse hinsichtlich ihrer Schwachstellen analysiert, findet die eigentliche Optimierung statt. Dabei wird nach Möglichkeiten gesucht, die Prozesse um vorhandene Fehler und Schwachstellen zu bereinigen oder diese zumindest zu reduzieren. Die Lösungsansätze ergeben sich meist unmittelbar aus der Bewertung der Schwachstellen.

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Prozessoptimierungen zielen auf Effektivitäts- oder Effizienzgewinne, auf mehr Kundenzufriedenheit und eine bessere Leistungsfähigkeit. Dabei ist es nicht sinnvoll, jede mögliche Optimierung auch umzusetzen. Aufwand und Nutzen müssen in einem guten Verhältnis stehen. Schließlich wird man bei strategisch weniger bedeutsamen Prozessen eher zurückhaltender sein, wenn es um den Einsatz von (Personal-)Ressourcen geht als bei Prozessen, die von großer politischer und strategischer Bedeutung sind.

Typische Optionen für die Entwicklung eines Soll-Prozesses sind u. a.:

  • Digitalisierungserfordernisse umsetzen (vgl. Abschnitt 2.3.8 Prozesse digitalisieren),
  • aktuelle Prozessziele definieren bzw. Aktualität vorhandener Ziele überprüfen,
  • Kennzahlen für die Erfolgsmessung definieren (Ziele und Kennzahlen),
  • auf überflüssige Prozessschritte oder Teilprozesse verzichten,
  • organisatorische Zuordnung der Zuständigkeit für Prozessschritte verändern,
  • Reihenfolge von Prozessschritten verändern,
  • zusätzlich erforderliche Prozessschritte aufnehmen,
  • zusammengehörende Prozessschritte bündeln,
  • Prozessschritte oder Teilprozesse parallelisieren,
  • einzelne Prozessschritte verkürzen,
  • die Wertschöpfung einzelner Prozessschritte steigern,
  • Prozessschritte automatisieren,
  • Standardisierungen herbeiführen,
  • Schnittstellen reduzieren,
  • Medienbrüche reduzieren,
  • Organisationsstruktur anpassen.

Wenn es um die Gestaltung übergreifender Prozesse, z. B. über aufbauorganisatorische Grenzen hinweg geht, ist ein Soll-Prozess zu erarbeiten, der Folgendes berücksichtigt:

  • genaue Beschreibung der Prozess-Schritte, die von den jeweiligen Prozessbeteiligten auszuführen sind - einschließlich Input und Output,
  • notwendige Schnittstellen,
  • organisatorische Zuordnung der Zuständigkeit für Prozessschritte,
  • beiderseitige Übergabepunkte (sogenannter Aktivitätensplit),
  • die erforderlichen Soll-Kapazitäten und Ressourcen in den Bereichen Personal, Sachmittel und IT.

Welche Option für einen konkreten Soll-Prozess in welcher Intensität tatsächlich besteht, muss immer anhand der Schwachstellenanalyse entschieden werden. Hinzu kommt, dass es für die Umsetzung eines optimalen Soll-Prozesses in der Regel mehrere Lösungsalternativen gibt. Diese sind anhand der definierten Ziele und Kundenbedürfnisse zu bewerten und mit Wirtschaftlichkeitsuntersuchungen zu überprüfen. Bei der Auswahl einer Lösungsvariante ist neben der Umsetzbarkeit auch die Interaktion mit anderen Prozessen im Sinne eines umfassenden Lösungsansatzes zu berücksichtigen.

Um zu prüfen, ob aus Fachbereichssicht wünschenswerte Optimierungsmaßnahmen, z. B. zur Qualitäts- oder Serviceverbesserung, überhaupt umgesetzt werden können, sind eine Reihe von Fragen mit den jeweils zuständigen Organisationseinheiten zu klären. Dazu gehören:

  • Strategisches Management: Bevor ein Soll-Prozess verbindlich zur Implementierung freigegeben werden kann, ist schließlich zu entscheiden, ob der vorgesehene Ressourcenaufwand der strategischen Bedeutung des Prozesses entspricht.
  • Haushalt: Welche Haushaltsmittel werden z. B. für die Beschaffung zusätzlicher oder neuer IT benötigt?
  • Organisation: Welche Auswirkungen auf den veränderten Personalbedarf ergeben sich? (PBE). Welche Arbeitsmittel können bereitgestellt werden?
  • Personal: Wie können die ggf. zusätzlich erforderlichen Qualifikationen oder Kenntnisse vermittelt werden (Fortbildungsbudget)?
  • IT: Welche Anpassungsaufwände entstehen?

Erst wenn Personal-, Budget-, Organisations- oder IT-abhängige Veränderungen mit den zuständigen Organisationseinheiten abgestimmt sind, kann mit der Umsetzung begonnen werden. Insbesondere bei umfassenden Prozessveränderungen sind die Gremien und Interessenvertretungen zu beteiligen.

Nachdem ein Soll-Prozess definiert wurde, muss er schrittweise umgesetzt und implementiert werden. Dazu sollten alle Optimierungs- und Entwicklungsmaßnahmen einschließlich ggf. vorgesehener Digitalisierungsmaßnahmen in einem Implementierungsplan zusammengefasst werden. Wichtig ist, dass hier genau festgehalten ist, wer was bis wann ggf. mit welchen Ressourcen macht. Oftmals bietet es sich an, die Einführung eines Soll-Prozesses als Projekt zu organisieren (Projektmanagement). In diesem Fall ist eine gute Zusammenarbeit zwischen der Projektleitung und der prozessverantwortlichen Führungskraft ein wichtiger Erfolgsfaktor. Die oder der Linienverantwortliche sollte die Implementierung des Soll-Prozesses überwachen und die Rolle der Veränderungsmanagerin bzw. des Veränderungsmanagers wahrnehmen (Veränderungsmanagement).

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Prozessoptimierungen scheitern häufig daran, dass die Prozessbeteiligten den neuen Prozess nicht akzeptieren. Ursachen können darin liegen, dass sie an den vorangegangenen Schritten der Prozessaufnahme und -analyse nicht ausreichend beteiligt waren oder sie den neuen Prozess als Kritik an ihrer bisherigen Arbeit verstehen. Die Umsetzung von Prozessoptimierungen darf nicht als zusätzliche (weil unnötige) Last empfunden werden. Je intensiver die Prozessbeteiligten an der Entwicklung von Optimierungsmaßnahmen beteiligt waren, desto größer wird ihre Identifikation mit dem neuen Prozess sein. Die Akzeptanz für die anschließende Umsetzung ist in der Regel größer.

Während der Implementierung des Soll-Prozesses sollte in festgelegten Intervallen mit den Beteiligten einer Maßnahme ein Austausch darüber stattfinden, wie die Umsetzung voranschreitet, wo es ggf. Stolperfallen oder Hindernisse gibt und ob die Maßnahme modifiziert oder die Umsetzung zunächst gestoppt werden sollte. So kann frühzeitig auf Schwierigkeiten oder neue Erkenntnisse während der Implementierung reagiert werden.

Auch wenn der neue Prozess implementiert ist, sollte in der ersten Zeit überprüft werden, ob der für verbindlich erklärte Soll-Prozess auch tatsächlich umgesetzt wird und die Prozessbeteiligten nicht schleichend wieder zu alten Routinen zurückkehren.

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