2.3.9 Prozesse kontinuierlich steuern

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Organisationshandbuch

Der anfängliche Aufwand für die Prozessdokumentation und Analyse ist nur dann gerechtfertigt, wenn diese kontinuierlich fortgeschrieben werden und wenn mit diesen aktuellen Prozessinformationen gesteuert wird. Die ersten Schritte des prozessorientierten Arbeitens in den Fachbereichen münden daher im Idealfall in kontinuierliche Prozessverbesserungen. Die dargestellten Schritte des prozessorientierten Arbeitens sowie die sich daran anschließende kontinuierliche Prozesssteuerung erfordern zum Teil neue, erstmals wahrzunehmende Aufgaben. Dazu gehören z. B. das Festlegen und Überwachen von Prozesszielen und Kennzahlen, Auswertungen von Kundenfeedbacks sowie entsprechende Anpassungen des Prozesses.

Auch für die Gestaltung dieses kontinuierlichen Verbesserungsprozesses kann der Kreislauf aus Planen-Umsetzen-Überprüfen und Anpassen (PDCA-Zyklus) genutzt werden. Für die Prozessarbeit bedeutet dies, dass nach der Einführung eines Prozesses in einem festgelegten Zeitintervall eine Überprüfung und Anpassung des Prozesses durchgeführt wird. Diese Rolle sollten Prozessverantwortliche und Prozesseigentümer bei sich sehen, regelmäßig den Prozess auf Veränderungen der Rahmenbedingungen prüfen, ggf. anpassen und eine systematische Schwachstellenanalyse betreiben. Dies sollte durch Begleitung durch die Verantwortlichen des Geschäftsprozessmanagement und des Veränderungsmanagement und dafür etablierte Strukturen und Instrumente sichergestellt werden.

Unabhängig davon lassen sich durch ständiges Hinterfragen viele kleine Verbesserungen, sogenannte Quick Wins, jeglicher Art umsetzen. Führungskräfte sollten ihre Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter motivieren, nach kreativen Lösungen für Prozessverbesserungen zu suchen und ihnen hierfür auch die erforderlichen Freiräume zugestehen. Solche Aktivitäten können mit einem ggf. vorhandenen Qualitätsmanagement verknüpft werden.

Indem der skizzierte Kreislauf auf der Ebene der dezentralen Prozesssteuerung durchlaufen wird, wächst die Organisation Schritt für Schritt in eine kontinuierliche Organisationsentwicklung hinein. Diese beinhaltet sowohl ein organisationales Lernen als auch das "lebenslange Lernen" jeder und jedes einzelnen Beschäftigten. Dieser Prozess sollte mit einer zielgerichteten Personalentwicklung flankiert werden.

Die Organisationsentwicklung sollte durch eine prägnante Dokumentation von Lernschritten (Lessons learned) unterstützt werden. Die Dokumentation kann ein wichtiger Baustein des Wissensmanagements, der Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sowie der Personalentwicklung sein.

2.3.9.1 Aufgaben und Rollen in der kontinuierlichen Prozessarbeit

Um sicherzustellen, dass die Aufgaben des prozessorientierten Arbeitens kontinuierlich wahrgenommen werden, sind klare Zuständigkeiten erforderlich. In der Praxis werden diese Aufgaben in ganz unterschiedlichen Rollen gebündelt. Auch wenn für die Gesamtorganisation noch kein übergreifendes Rollenkonzept (vgl. Prozessmanagement – Rollenkonzept) für die Prozessarbeit vorliegt, müssen einige Rollen im prozessorientierten Arbeiten sorgfältig geklärt werden.

In Tabelle 1 sind beispielhaft einige typische Rollen und Aufgaben des prozessorientierten Arbeitens zusammengefasst.

Rollenbezeichnung Aufgaben
Prozesseigentümerin/
Prozesseigentümer
Ergebnisverantwortlich für das Erreichen der Prozessziele, die Qualität und die kontinuierliche Verbesserung ihrer bzw. seiner Prozesse. Diese Rolle sollte von Referats- oder Abteilungsleitungen wahrgenommen werden.
Prozessverantwortliche/
Prozessverantwortlicher
Zuständig für die Gestaltung, Durchführung, Optimierung und operative Steuerung von (Teil-)Prozessen sowie für die operative Erreichung von Prozesszielen. Diese Rolle sollte jemand innehaben, der den gesamten Prozess überblicken kann.
Prozessmodelliererin/
Prozessmodellierer
Modellieren die Prozesse gemäß den Vorgaben. Die Rolle sollte von Sachbearbeiterinnen oder Sachbearbeitern des Organisationsreferates oder von einem Modellierungsteam wahrgenommen werden.
Fachexpertin/ -experte
(Prozessmitarbeiterin/
Prozessmitarbeiter)
Verantwortlich für die fachspezifische Aufgabendurchführung auf der operativen Prozessebene. Zudem initiieren und realisieren sie maßgeblich Prozessverbesserungen. Sie sind Wissensträgerinnen und Wissensträger für einen bestimmten Prozess.

Tabelle 1: Typische Rollen und Aufgaben des prozessorientierten Arbeitens[22]

Im Rahmen der Personalentwicklung sollten Führungskräfte und Beschäftigte auf die neuen Aufgaben der kontinuierlichen Prozesssteuerung vorbereitet werden. Das Fach- und Erfahrungswissen der Prozessbeteiligten kann optimal genutzt werden, wenn den Prozessteams Freiräume für eigenverantwortliches Handeln zur Umsetzung der Prozess-Ziele eingeräumt werden und sie intensiv an der Festlegung prozessbezogener Ziele und Kennzahlen beteiligt sind. Die Stärkung der Eigenverantwortlichkeit kann darüber hinaus mithilfe eines Rollenkonzepts erreicht werden.

In jedem der beschriebenen Schritte des prozessorientierten Arbeitens ist sorgfältig die Frage zu klären, wie die Beteiligten optimal einbezogen werden können, um das Prozessdenken voranzubringen. In einem spezifischen Veränderungsmanagement-Konzept sollte festgelegt werden, mit welchen Kommunikations- und Interaktionsmaßnahmen die relevanten Stakeholder[23] ins Boot geholt werden sollen. Bei der Entwicklung und Umsetzung eines passgenauen Veränderungsmanagement-Konzepts ist auch zu berücksichtigen, wie groß die IT-Affinität der Beschäftigten in der betroffenen Organisationseinheit ist , wie die Erfahrungen mit früheren Veränderungen sind und wie Veränderungsbereitschaft und -fähigkeit einzuschätzen sind. Im Abschnitt „Methoden und Techniken“ werden eine Fülle von Methoden genannt, die hier genutzt werden können. Dazu gehören u. a. klassische Besprechungen, Workshops Interviews, Befragungen mithilfe eines Fragebogens usw. Für den Erfolg entscheidend sind hierbei eine gute Vorbereitung, ein ausreichender zeitlicher Rahmen und passende Rahmenbedingungen wie etwa eine angemessene Raumausstattung. Wenn in der Organisation bereits ein Veränderungsmanagement etabliert ist, kann diese Stelle ggf. einer Moderatorin oder einen Moderator zur Verfügung stellen.

Neben den Prozessbeteiligten sind die Querschnittsbereiche wie Haushalt, Organisation, IT und Personal wichtige Stakeholder.

2.3.9.2 Vom prozessorientierten Arbeiten zum übergreifenden Prozessmanagement

In der Praxis wird prozessorientiertes Arbeiten häufig noch als anlassbezogene Einzelmaßnahme umgesetzt. Um die positiven Effekte der Prozessorientierung allerdings kontinuierlich und behördenweit zu erzielen, ist es Aufgabe der Führungskräfte, die Prozesse in ihren Bereichen regelmäßig und systematisch zu reflektieren und sie auf diese Weise kontinuierlich zu verbessern und an aktuelle Gegebenheiten anzupassen. Geschieht dies dezentral ohne übergreifende Regelungen, Standards und Zuständigkeiten, besteht die Gefahr, dass Prozessbeschreibungen nicht gepflegt, Optimierungspotenziale nicht ausgeschöpft und Prozesse nicht bereichsübergreifend aus Kundensicht betrachtet werden. Wenn die Beschäftigten mit viel Aufwand ihre Prozesse dokumentieren, analysieren und optimieren, diese dann aber nicht umgesetzt werden oder mit den erhobenen Prozesskennzahlen nicht gearbeitet wird, ist keine Akzeptanz für das prozessorientierte Arbeiten zu erwarten.

Um das prozessorientierte Arbeiten innerhalb einer Gesamtorganisation (Ministerium, Behörde) systematisch und kontinuierlich wahrzunehmen, ist die Einführung eines strategischen und übergreifenden Prozessmanagements erforderlich. Hier werden alle Aufgaben im Zusammenhang mit der Steuerung von Prozessen übergreifend geregelt und organisatorisch verankert. Beispielsweise werden Standards für die Prozessdokumentation einschließlich Nutzung eines einheitlichen Modellierungstools, Vorgaben für die Kennzahlenentwicklung, Controllingberichte und ein Rollenkonzept entwickelt und implementiert. Damit können die prozessbezogenen Leistungsergebnisse auch gut als Input für die Weiterentwicklung der Gesamtstrategie einer Organisation genutzt werden.

Organisationen, die punktuell bereits Erfahrungen in der Umsetzung der beschriebenen Schritte des prozessorientierten Arbeitens haben, verfügen über gute Grundlagen zur Einführung eines übergreifenden Prozessmanagements. Für die Konzeption und Einführung eines übergreifenden Gesamtprozessmanagements sowie zur dauerhaften Nutzung und Weiterentwicklung prozessorientierten Arbeitens ist die rechtzeitige Absicherung der dazu erforderlichen Ressourcen erfolgskritisch. Wie aufbauend auf den vorliegenden Erfahrungen ein organisationsweites Prozessmanagement implementiert werden kann, wird im Abschnitt 3.3 "Prozessmanagement" dargestellt.

Fußnote

[22] Vgl. Bundesverwaltungsamt, Kurzleitfaden Geschäftsprozessmanagement 2013, S. 7 ff.
[23] Stakeholder: Jemand, der als Gruppe oder Individuum ein wie immer geartetes legales Interesse an der Institution / der Unternehmung / der Stadt/Region usw. hat, unabhängig davon, ob die Rechtsordnung ihm Rechte für die Wahrnehmung dieser Interessen zubilligt; Betroffene/r, Beteiligte/r, Interessenträger/in, -vertreter/in, -gruppe. , vgl. Olev.de, Abruf: 20.09.2021.

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