2.4.3.11.5 Multimomentaufnahme

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Einführung

2.4.3.11.5.1 Einführung / Allgemeines zur Methode

Die Multimomentaufnahme (MMA) ist ein Stichprobenverfahren zur Ermittlung der Auftrittshäufigkeit zuvor festgelegter Ereignisse oder Tätigkeiten bzw. Ablaufarten. Dabei werden stichprobenmäßig Kurzzeitbeobachtungen an gleichartigen Arbeitsplätzen durchgeführt, ohne dass der Beobachtete aktiv wie beispielsweise bei einer Eigenerhebung (z. B. auf die Uhr schauen, notieren von Zeiten etc.) involviert wird (Fremdbeobachtung). Die Anzahl der (Moment-) Beobachtungen (Stichprobe) lässt auf den gesamten Arbeitsablauf (Grundgesamtheit) schließen.

Die im Augenblick der Beobachtung gerade anfallenden Ereignisse oder Tätigkeiten bzw. Ablaufarten werden zu vorher festgelegten Zeitpunkten auf Rundgängen im Betrachtungsbereich (Rundgangsplan) durch die Beobachter registriert und erfasst. Werden genügend solcher Beobachtungen (Stichwort Repräsentativität) gemacht und ist der vorab definierte absolute Vertrauensbereich eingehalten, kann eine gültige Aussage zu den Anteilen der beobachteten Ereignisse oder Tätigkeiten bzw. Ablaufarten am gesamten Arbeitsablauf getroffen werden.

Bei der Anwendung der MMA müssen bestimmte statistische Anforderungen erfüllt sein, um die Gültigkeit der mittels Stichproben getroffenen Aussagen auf die Grundgesamtheit in Bezug zur geforderten Genauigkeit (Stichwort: absoluter Vertrauensbereich) und Aussagesicherheit, übertragen zu können (Teilerhebung mittels Stichprobe).

Die ermittelten Ergebnisse sind nur dann aussagefähig, wenn die Stichprobe repräsentativ für die Grundgesamtheit ist. Repräsentativität kann dadurch gewährleistet werden, dass:

  • Beobachtungszeitpunkte zufällig ermittelt werden,
  • der Umfang der Stichprobe ausreichend groß ist und
  • die Verhältnisse im Untersuchungsbereich sich während der Beobachtungen nicht von den typischen Verhältnissen unterscheiden.
  • Die Zufälligkeit der Stichprobe der MMA ist dann gewährleistet, wenn im Beobachtungszeitraum jedes Ereignis oder jede Tätigkeit die gleiche Möglichkeit hat, beobachtet zu werden.

2.4.3.11.5.2 Begriffsdefinitionen

Der notwendige Umfang der Stichprobe [72] ist abhängig von der geforderten Genauigkeit (absoluter Vertrauensbereich) und der Aussagewahrscheinlichkeit der Ergebnisse.

Der absolute Vertrauensbereich (Schwankungsbereich oder geforderte Genauigkeit) gibt an, wie weit die Werte der Stichprobe vom tatsächlichen (unbekannten) Wert abweichen. Bei einem absoluten Vertrauensbereich von zwei Prozent können die ermittelten Werte sowohl um zwei Prozent über als auch unter dem tatsächlichen Wert liegen.

Zu beachten ist in diesem Zusammenhang, dass der erforderliche Stichprobenumfang zunimmt, wenn der absolute Vertrauensbereich (geforderte Genauigkeit) kleiner wird. Wenn also eine größere Genauigkeit erreicht werden soll, hat dies zwangsläufig einen größeren Stichprobenumfang zur Folge. An dieser Stelle muss eine Abwägung zwischen dem Nutzen der höheren Genauigkeit und dem steigenden Aufwand durch größere Stichproben erfolgen. Dies ist z. B. von bestimmten Rahmenbedingungen, wie zur Verfügung stehende Ressourcen (Budget und Zeit für die Untersuchung) abhängig.

Weiterhin ist zur Beurteilung der Aussagekraft der Ergebnisse der MMA die Aussagewahrscheinlichkeit wichtig. Diese gibt an, in wie vielen Fällen das Stichprobenverfahren richtige Ergebnisse hervorbringt. Eine Aussagewahrscheinlichkeit von 95% bedeutet, dass bei einhundert Anwendungen dieses Verfahrens fünf Anwendungen ungenauere bzw. außerhalb des absoluten Vertrauensbereichs liegende Ergebnisse liefern.

2.4.3.11.5.3 Einsatzbereiche

Die MMA kann zur Erhebung von Aufgaben- und Verteilzeitanteilen sowie zur Überprüfung der Auslastung an gleichartigen Arbeitsplätzen in einem definierten Untersuchungsbereich eingesetzt werden. Besonders geeignet ist die MMA in sehr großen Untersuchungsbereichen, in denen Erhebungen mit Hilfe anderer Methoden nur mit erheblichem Aufwand stattfinden könnten. [73]

Dabei ist darauf zu achten, dass die Anwendung der MMA voraussetzt, dass die zu beobachtenden Ereignisse oder Tätigkeiten bzw. Ablaufarten für den Beobachter eindeutig und leicht identifizierbar sein müssen. Des Weiteren findet die Anwendung der MMA dort ihre Grenzen, wo Beschäftigte flexible Arbeitsplätze (beispielsweise bei Telearbeit, Desk-Sharing) nutzen. Hier sind besondere Vorkehrungen für die Dauer der Erhebung zu treffen (z. B. fester Arbeitsplatz für die Dauer der Erhebung).

2.4.3.11.5.4 Methodenmix

In dienstreiseintensiven Aufgabenbereichen und bei Außendiensttätigkeiten (mobile Arbeit) ist die MMA nur mit besonderen Geräten (z. B. „Chronos“, ein Pieper, der zu zufälligen Zeitpunkten anfragt was der Beschäftigte gerade macht) einsetzbar. Dies entspricht einem Methodenmix, der die Vorteile der Selbstaufschreibung mit einem Stichprobenverfahren (MMA) verbindet. So kann die abgewandelte MMA sowohl eigenständig als auch in Kombination mit anderen Erhebungsmethoden (beispielsweise Selbstaufschreibung) durchgeführt werden. In Kombination dient sie häufig zur Plausibilisierung der mittels anderer Methoden erhobenen Daten.

2.4.3.11.5.5 Vorteile

  • Die MMA als Stichprobenverfahren verursacht für den Betrachtungsbereich einen geringeren Aufwand als eine Vollerhebung.
  • Das Organisatorenteam ist unabhängig von den Aussagen der Beschäftigten, wenn ohne Hilfsmittel (Würfel, Parkuhr, Tetraeder …) beobachtet werden kann.
  • Die Beobachtung selbst kann nach Einweisung durch Aushilfskräfte (Studierende, Verwaltungskräfte) vorgenommen werden, sofern die Tätigkeiten auch für einen ungeübten Beobachter eindeutig beobachtet/erkannt werden können. [74]
  • Die betroffenen Beschäftigten werden durch die MMA nur geringfügig bei der Aufgabenerledigung beeinträchtigt. Die Beschäftigten sind im Vergleich zu Methoden der Eigenerhebung wenig belastet.
  • Die Akzeptanz beim Betrachtungsbereich ist nach vergleichsweise kurzer Gewöhnungsphase hoch.
  • Diese Methode der Fremdbeobachtung ist sehr vorteilhaft für das Erschließen von Optimierungspotentialen, weil die Organisatoren viel händisches/analoges Arbeiten – auch im Rahmen des Zufallssystems – beobachten. Dies sollte im Nachgang der MMA thematisiert und z. B. in Workshops zur Prozessoptimierung als Erkenntnis genannt und hinterfragt werden.
  • Die MMA ist eine sehr gute Plausibilisierungsmethode für Werte aus der Selbstaufschreibung und aus dem analytischen Schätzen sowie aus VZÄ-Verteilungen.
  • Die Methode ist sehr gut geeignet, um Auslastungsprüfungen durchzuführen und um sich ein Bild über den zu untersuchenden Bereich zu verschaffen, z. B. auch: Sind die Beschäftigten gestresst / zeitlich eng getaktet oder nicht? Gibt es Störungen, die wiederholt bzw. länger andauernd auftreten? Wie häufig sind die Beschäftigten am Arbeitsplatz anzutreffen? Wie häufig sind sie in Besprechungen? … etc.
  • Die MMA eignet sich sehr gut, um bspw. auch den Anteil der persönlichen Verteilzeiten zu ermitteln: Allerdings bestehen häufig Unschärfen, z. B. wenn privates Surfen in Internet möglich ist, eine Zuordnung, ob es sich um privates oder dienstliches Surfen handelt, jedoch nicht einwandfrei erfolgen kann.
  • Um anonymisiert auszuwerten, sollten Bereiche mit mindestens etwa 5-30 Beschäftigten [75] untersucht werden. Möglich ist aber auch, eine MMA begleitend zur Selbstaufschreibung in größeren Bereichen mit bspw. 300 Beschäftigten durchzuführen.
  • Auch außerhalb einer PBE ist die MMA gut nutzbar, um bspw. die Auslastung von Büros zu überprüfen (z. B. zwecks Konzeption eines Desk-Sharing-Modells oder zur Optimierung von Büroflächen).
    Wird die MMA im Rahmen des Methodenmixes begleitend zur Selbstaufschreibung durchgeführt, bleiben die Organisatoren mit den Beschäftigten auch zu Fragen der Selbstaufschreibung in Kontakt.

2.4.3.11.5.6 Risiken, Stolperfallen

  • Die Qualität der beobachteten Arbeit wird nicht berücksichtigt.
  • Die Beschäftigten können bewusst oder unbewusst ihr Verhalten ändern (dies trifft i.d.R. bei den meisten PBE-Methoden zu und kann im Vorfeld durch gute Kommunikation zumindest teilweise beeinflusst werden; darüber hinaus wird das „beobachtet werden“ in der Regel nach einigen Tagen zur „Normalität“).
  • Für die Organisatoren entsteht ein höherer Aufwand im Vergleich zu anderen Methoden (um alle Arbeitszeiten innerhalb von Rahmenarbeitszeiten zu erfassen z. B. Arbeitsbeginn/-ende, bedarf es ggf. mehr als eine/n Beobachter/in je Arbeitstag).
  • Fehlen im Vorfeld der MMA vertrauensbildende Maßnahmen und wird vorab nur unzureichend über die Methode und Vorgehensweise informiert, fehlt in der Regel die Akzeptanz bei den Beschäftigten und der Interessenvertretung.
  • Werden Rundgänge nicht zufällig oder ohne (Richtungs-)Wechsel durchgeführt, können sich die Beschäftigten schnell auf die MMA einstellen (Zufallsprinzip beachten)
  • Problematisch kann sich auch die Abgrenzung der beobachtbaren Tätigkeit am Bildschirm gestalten: Recherchiert er / sie zu dienstlichen oder privaten Zwecken?
  • Wenn überwiegend nicht beobachtbar ist, was er /sie gerade macht, ist die Methode nicht geeignet.
  • Weitere Herausforderungen beim Einsatz einer MMA können sein:

    • Weitreichende Rahmenarbeitszeiten (z. B. 6:00 bis21:00 Uhr)
    • sieben Tage / Woche und 24h-Dienste: Wenn der Bereich sieben Tage die Woche arbeitet, muss auch die MMA sieben Tage umfassen: "Seien Sie präsent!"
    • Zunehmende mobile Arbeit
    • Zunehmende Telearbeit / Homeoffice-Möglichkeiten
    • Beschäftigte sind wenig, nur an bestimmten Tagen und teilweise auch nur noch selten in ihren Büros anzutreffen
    • Großraumbüros, Desk-Sharing: Zu beobachten ist nicht der / die Beschäftigte, sondern der Arbeitsplatz (aber es muss sicher sein, dass es die gleiche Aufgabe ist). Ggf. müsste man für diese Zeit der MMA auch das Desk-Sharing aussetzen: Alle bleiben so sitzen, wie sie am ersten Tag gesessen haben.
  • Die Grenze zur Eigenerhebung (Selbstaufschreibung) verschwimmt, wenn es keine reine "Beobachtung" mehr ist, sondern der / die Beschäftigte seine / ihre Tätigkeit aufgrund eines Signalgebers selbst erfasst.

Bei der aktuellen Anwendung der MMA gibt es demzufolge unter Umständen viele nicht verwertbare Beobachtungen, weil die Beschäftigten gerade nicht am Arbeitsplatz, gar nicht mehr oder noch nicht am Arbeitsplatz sind. Einige Beschäftige verfügen über feste Telearbeitsplätze und sind nur an bestimmten Tagen im (Präsenz-)Büro, an bestimmten Tagen am Telearbeitsplatz oder dies wechselt unter Umständen sogar.

Lösungsmöglichkeit:

  • Abbilden der gesamten, zur Verfügung stehenden Arbeitszeit (15 Stunden Beobachtungsrundgänge)
  • Methodenmix, z. B. Selbstaufschreibung während der Telearbeit und MMA bei Anwesenheit im Büro
  • Arbeiten mit dem sog. „Chronos“ (ein Pieper) oder einer Web-Oberfläche, die zufällig auf dem Bildschirm des Beschäftigten erscheint und abfragt, was er gerade tut. Der Nachteil: Die Grenze zur Selbstaufschreibung verschwimmt

2.4.3.11.5.7 Beschreibung des Vorgehens bei der MMA

Vorweg einige Praxisbeispiele aus Bundesbehörden:

Auch unter den neu eingetretenen Bedingungen während der Covid19-Pandemie und zunehmender Telearbeit bzw. mobiler Arbeit gibt es weiterhin Beispiele, in denen der Einsatz der MMA in Präsenz gut geeignet wäre: so beispielsweise in Impfzentren oder Gesundheitsämtern, um bestimmte Rahmenbedingungen (bspw. Häufigkeit der persönlichen Kundenkontakte im Vergleich zu vorbereitenden Maßnahmen, Dokumentation etc.) zu untersuchen.

1. Planung

Schematischer Ablauf einer MMA:

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 35: Schematischer Ablauf eine MMA in Anlehnung an REFA Consulting [76]

1a. Ziel der MMA festlegen

Zu Beginn einer MMA ist festzulegen, welcher Zweck bzw. welches Ziel erreicht werden soll.

Aus der Zielsetzung ergibt sich

  • der Betrachtungsbereich und die Auswahl des Teilnehmerkreises sowie die zu untersuchende Arbeitsmittel,
  • die Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten von besonderem Interesse,
  • der repräsentative Untersuchungszeitraum,
  • die Art der Auswertung und
  • der gewünschte, absolute Vertrauensbereich.

Unabhängig von arbeitsrechtlichen Bestimmungen sollten die Beschäftigten des Betrachtungsbereiches sowie Betriebs- bzw. Personalrat rechtzeitig informiert und ggf. in die Planungsarbeit einbezogen werden. Es ist für die Akzeptanz der MMA wichtig, frühzeitig konkrete Informationen bezüglich der Ziele und der Vorgehensweise zur geplanten MMA an alle betroffenen Beschäftigten und die Interessenvertretung zu geben und Fragen zu beantworten.

Mögliche Untersuchungsziele können sein:

  • Auslastung der Beschäftigten und Arbeitsmittel prüfen,
  • tatsächliche Verteilzeiten ermitteln,
  • mittlere Bearbeitungszeit (mBz) ermitteln
  • Rückrechnung von Bearbeitungszeiten über Anteile (vgl. auch Berechnung von Grundzeiten),
  • Vollzeitäquivalente (VZÄ) anhand der IST-Situation plausibilisieren,
  • Verteilungsschlüssel von VZÄ anhand des IST ermitteln,
  • An- und Abwesenheitszeiten im Büro ermitteln,
  • Kennzahlen für einen überbetrieblichen Leistungsvergleich ermitteln (z. B. für Benchmarking)
  • Plausibilisierung bzw. Verifizierung von geschätzten Daten und Werten

1b. Betrachtungsbereich und -zeitraum festlegen

Aus dem definierten Ziel der MMA und der Repräsentativität ergeben sich der Betrachtungszeitraum und die Auswahl der zu beobachtenden Beschäftigten, Arbeitsmittel und –gegenstände. Diese müssen die typischen Zustände innerhalb des Betrachtungsbereichs und damit einen repräsentativen betrieblichen Ist-Zustand widerspiegeln, um bei der späteren Soll-Konzeption keine unrealistischen Werte vorauszusetzen. Wenn nicht alle Beschäftigten beobachtet werden sollen, muss hinsichtlich der Repräsentativität der Ergebnisse Folgendes besonders berücksichtigt werden:

  • Aushilfs- und Teilzeitkräfte,
  • Beschäftigte mit ständig wechselndem bzw. ortsveränderlichen Arbeitsplatz,
  • noch nicht vollständig eingearbeitete Beschäftigte,
  • Beschäftigte, die während der Untersuchung neu zum Betrachtungsbereich kommen,
  • Beschäftigte, die während der Untersuchung den Betrachtungsbereich verlassen werden.

Um in diesen Fällen die repräsentative Ermittlung der (Auftritts-)Häufigkeiten sicherstellen zu können, muss ein Ereignis oder Tätigkeit bzw. eine Ablaufart "planmäßige Abwesenheit" definiert werden.

Hinsichtlich der Repräsentativität des Erhebungszeitraumes muss geklärt werden, ob periodische Schwankungen des Arbeitsanfalles Auswirkungen auf die (Untersuchungs-)Dauer und auf den (Abschluss-)Termin der MMA haben. Schwankt der Arbeitsanfall innerhalb eines Monats, muss über den gesamten Monat beobachtet werden. Gibt es periodische (Arbeits-)Schwankungen innerhalb eines Jahres, muss eine Periode mit durchschnittlichem Arbeitsanfall gewählt werden um durchschnittliche Bearbeitungszeiten (Jahresmittelwerte) für die PBE zu ermitteln. Sollen Spitzenwerte bei den Arbeitsmengen ermittelt werden, ist eine Hoch- oder eine Tiefphase auszuwählen.

Arbeiten im Betrachtungsbereich regelmäßig viele, neue Beschäftigte und/oder Aushilfskräfte (z. B. hoher Anteil von zeitlich befristeten Arbeitsverträgen), sollten diese auch zu einem gewissen Anteil als Teil der Grundgesamtheit als zu beobachtende Beschäftigte ausgewählt werden. Bei noch nicht vollständig eingearbeiteten Beschäftigten oder "Aushilfskräften" ist zu berücksichtigen, dass sie die Aufgaben (noch) nicht versiert, mit deutlich höherem Zeitaufwand und ggf. auch höherer Fehlerquote erledigen.

Auf die Schwierigkeiten in Großraumbüros oder auch die Arbeitsplatzposition der zu beobachtenden Mitarbeitenden ist hinzuweisen: Z. B. können einzelne Arbeitsplätze verdeckt sein, wenn sie beispielsweise hinter eine Säule liegen. Eine Begehung sollte unbedingt vor Festlegung der Methode durchgeführt werden.

1c. Katalog der Ereignisse und Tätigkeiten erstellen

Als nächstes wird festgelegt und beschrieben, welche beobachtbare Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten (und Beobachtungsmerkmale) im Betrachtungsbereich vorliegen. Diese werden in einem (Ablaufarten-)Katalog zusammengestellt.

Dabei sind die folgenden Hinweise zu beachten:

  • Die Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten müssen eindeutig erkennbar sein und sich anhand bestimmter Beobachtungsmerkmale (typische Tätigkeit, Arbeitsmittel, Arbeitsorte) unterscheiden lassen.
  • Die zu beobachtenden Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten müssen dem Ziel der MMA entsprechend differenziert sein. Eine spätere Zusammenfassung ist möglich, eine weitere Differenzierung der Ablaufarten während der MMA jedoch nicht. Die Zahl der zu unterscheidenden Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten sollte maximal zwölf betragen.
  • Der (Ablaufarten-)Katalog muss übersichtlich gegliedert sein, um dem Beobachter die Beobachtung/Erhebung zu erleichtern.
  • Die Schlüsselung von Sammelbegriffen (beispielsweise "Sonstiges" und „Nicht erkennbar“) ist möglichst zu vermeiden, da die unter diesem Begriff gesammelten Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten im Nachhinein häufig nicht mehr nachvollziehbar sind. Aus diesem Grund sollten auf „Sonstiges“ entfallende Beobachtungen 2-3% der Beobachtungen insgesamt nicht überschreiten. [77]
  • Die Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten des Kataloges sollten genau beschrieben und voneinander abgegrenzt sein. Jede Ablaufart wird durch ein Kürzel und die dazugehörigen, eindeutigen Beobachtungsmerkmale gekennzeichnet. Sind keine eindeutigen Merkmale für ein Ereignis und Tätigkeit bzw. Ablaufart definierbar, können die zu beobachtenden Beschäftigten hilfsweise ihre momentane Handlung mittels vorab festgelegter Symbole beispielsweise Karten, Würfel, Parkscheiben etc. während des Durchführungszeitraums kennzeichnen (z. B. Karte aufstellen).


Beispiel für Beobachtungsmerkmale (per Karte):

Beobachtungs- merkmalKürzelAblaufart / VorkommnisBeschreibungSinnvoll, wenn
Karte TTBearbeitungszeit Rechnungen bearbeitenBearbeitung der originären (Fach-)AufgabeUntersuchungsziel
Karte SVSVSachliche Verteilzeitungeplante StörungenUntersuchungsziel
Karte MMPersönliche Verteilzeitprivate und persönliche VerrichtungenUntersuchungsziel
Karte EEPlanmäßige AbwesenheitGleitzeit (Zeit vor dem Dienstanfang/ nach dem Dienstende), Urlaub, Krankheit, Dienstreise, tarifrechtliche PauseUntersuchungsziel
Karte FFInterne / externe FortbildungTeilnahme des / der Beschäftigtendies z. B. nicht anders erfasst wird, aber für die Untersuchung von Belang ist
Karte PVPVPersonalversammlungTeilnahme des / der Beschäftigtendies z. B. nicht anders erfasst wird, aber für die Untersuchung von Belang ist
Karte BGMBGMBetriebliches GesundheitsmanagementTeilnahme des / der Beschäftigtendies z. B. nicht anders erfasst wird, aber für die Untersuchung von Belang ist

Tabelle 17: Beispiele für Beobachtungsmerkmale bei Einsatz einer Karte als Hilfsmittel

1d. Stichprobenumfang bestimmen

Die Anzahl der notwendigen Beobachtungen hängt von der geforderten Genauigkeit der Ergebnisse und damit vom absoluten Vertrauensbereich der/des interessierenden Ereignisses/Tätigkeit bzw. Ablaufart ab. Je größer der absolute Vertrauensbereich, desto weniger Beobachtungen sind nötig. Der gewünschte Vertrauensbereich ergibt sich aus dem Ziel der Untersuchung.

Bei der Planung der MMA ist die erforderliche Anzahl der Beobachtungen - der Stichprobenumfang - festzulegen, um bei einem interessierenden Ereignis (Tätigkeit bzw. Ablaufart) einen erwünschten/vorgegebenen Vertrauensbereich f' zu erreichen. Wird die Formel zur Bestimmung des absoluten Vertrauensbereiches f´ nach der Anzahl der Beobachtungen (Stichprobenumfang) n aufgelöst, erhält man die Formel zur näherungsweisen Bestimmung der Anzahl der erforderlichen Beobachtungen n':

Quelle: eigene Darstellung

Üblicherweise wird in der Praxis bei der MMA mit einem absoluten Vertrauensbereich von 2-2,5% und einer Aussagewahrscheinlichkeit von 95% (z-Wert=1,96) gearbeitet. Daraus ergibt sich die folgende Formel für die Berechnung des Stichprobenumfanges [78] :

Beispiel: Mit Hilfe einer MMA soll die Auslastung der Beschäftigten eines Untersuchungsbereichs überprüft werden. Die Aussagewahrscheinlichkeit soll bei 95% und der absolute Vertrauensbereich bei 2,5% liegen. Es wird geschätzt, dass die Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufart „persönliche Verteilzeit“ einen Anteil (p) von 20% hat. Aus diesen Informationen kann der Stichprobenumfang folgendermaßen ermittelt werden:

Quelle: eigene Darstellung

Weitere Beispiele bei der Annahme, dass:

f = absoluter Vertrauensbereich (geforderte Genauigkeit): 2,5 %
z = 1,96 (=Aussagewahrscheinlichkeit: 95 %)
p = geschätzter Prozentanteil der Ablaufart, die überprüft werden soll.

Quelle: eigene Darstellung

Bevor der Rundgangsplan erstellt wird und die erforderlichen Rundgänge pro Tag berechnet werden können, sind die effektiven Beobachtungen zu berechnen. Dazu soll eine MMA mit folgenden Rahmendaten durchgeführt werden:

Neben der regulären Arbeitszeit (acht Stunden) sind noch der Gleitzeitkorridor (06:00 bis 21:00 Uhr) und der Umfang der tariflichen Mittagspause (30 Minuten, oder 45 min (bei mehr als neun Stunden Arbeitszeit)) zu berücksichtigen.


Übertragen auf das oben genannte Beispiel ist also ein Zuschlag auf die zuvor berechnete Stichprobe zu berechnen:


Quelle: eigene Darstellung

Bei berechneten 1000 Beobachtungen müssten somit 87,5 % = 875 Beobachtung zugeschlagen werden, so dass 1875 Beobachtungen (einschließlich unbezahlter Abwesenheitszeiten) durchzuführen sind. Dafür ist es wichtig, unbezahlte Zeiten z. B. Mittagspause etc. und bezahlte Zeiten, z. B. Personalversammlung, BGM, Fortbildung etc. in der Betrachtung zu trennen.

Erforderliche Rundgänge pro Tag bei MMA-Dauer von drei Tagen: 1875 Beobachtungen: (3 Tage x 22 Beobachtungen pro Runde) = 28,41 Rundgänge = aufgerundet 29 Rundgänge pro Tag

1e. Rundgangsplan erstellen

Um die Zufälligkeit der Beobachtungen und damit der Stichprobe zu gewährleisten wird ein Rundgangsplan bspw. in grafischer Form als Rundgangs-/Wegeskizze oder tabellarisch aufgestellt, in dem die Reihenfolge der zu beobachtenden Arbeitssysteme in Form eines Weges definiert ist. Es empfiehlt sich, mehrere Rundgangsfolgen vorzusehen. Damit kann die Rundgangsreihenfolge (nicht aber die in die Betrachtung einbezogenen Arbeitsplätze) gemäß Zufallsprinzip ermittelt und im Wechsel durchgeführt werden.

Rundgangsskizze – Beispiel (Anlage 21 – Raum Rundgangsplan)

Für jeden Beschäftigten/Arbeitsplatz ist ein bestimmter Beobachtungs(stand)punkt festzulegen. Es ist darauf zu achten, dass die Beobachtungs(stand)punkte so gewählt werden, dass ohne Störung des Arbeitsablaufes bzw. der betroffenen Beschäftigten alle Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten eindeutig zur erkennen und zu unterscheiden sind.

Im Anschluss wird die Anzahl der notwendigen Rundgänge (R) mit folgender Formel ermittelt:

Quelle: eigene Darstellung

Beispiel (Fortsetzung): Der repräsentative Zeitraum der MMA besteht gemäß der beschriebenen Rahmendaten aus drei Arbeitstagen. Demnach sind je Rundgang 22 Arbeitsplätze zu beobachten. Daraus lässt sich die Anzahl der Rundgänge je Beobachtungstag (RT) wie folgt berechnen:

Annahme:

Dauer der MMA: drei Tage (T); Beobachtungen je Rundgang: 22 (nR)

Quelle: eigene Darstellung

Es müssen 29 Rundgänge pro Tag erfolgen, um die notwendige Anzahl an Beobachtungen in der vorgegebenen Untersuchungszeit der MMA durchführen zu können.

Aus der ermittelten Rundgangszahl je Beobachtungstag, unter Beachtung der Dauer eines Rundganges und des entsprechenden Zeitrahmens (z. B. 06:00 bis21:00 Uhr), ergibt sich die Zahl der Beobachter, die für die Durchführung der MMA benötigt werden.

1f. Rundgangszeitpunkte ermitteln

Die Beobachtungen müssen zufällig erfolgen, d.h. jeder Moment im Untersuchungszeitraum muss mit der gleichen Wahrscheinlichkeit beobachtet werden können. Dabei ist darauf zu achten, dass die (Beobachtungs-)Zeitpunkte, also die einzelnen Rundgänge, einen Mindestabstand voneinander haben. Der Mindestabstand zwischen zwei Rundgängen sollte wenigstens die Rundgangsdauer betragen, um einen Rundgang vollständig abschließen zu können. Auch beim letzten Rundgang vor der Pausenzeit und vor Dienstschluss sollte auf diesen Mindestabstand geachtet werden. (Bei flexiblen Pausen- und Arbeitszeiten ist dies nicht relevant.)

Die Rundgangszeitpunkte pro Beobachtungstag werden nach dem Zufallsprinzip ausgewählt. Die (Zufalls-)Startzeitpunkte lassen sich leicht anhand der Zufallszahlenfunktion verschiedener IT-Werkzeuge (bspw. Tabellenkalkulationsprogramme) erzeugen. Es muss darauf geachtet werden, dass die Startzeitpunkte innerhalb der Arbeitszeit (bei flexiblen Arbeitszeitmodellen innerhalb der Rahmenarbeitszeit) liegen, um keine ergebnislosen Rundgänge durchzuführen.

Zufällige Generierung der Rundgänge – Beispiel (Anlage 22– Zufallsgenerator Rundgänge) [79]

1g. Beobachtungsformulare erstellen

Im Anschluss an die Ermittlung des Stichprobenumfangs, der Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten und der (Zufalls-)Startzeitpunkte der Rundgänge werden die Formulare für die Durchführung der MMA und Auswertung der Beobachtungen erstellt.

Anlage 23 – Vorlage Aufnahmebogen MMA


1h. Beobachter festlegen

An die Beobachter werden verschiedene Anforderungen gestellt:

  • Sie müssen die Methodik MMA kennen.
  • Sie sollten nicht Beschäftigte im Untersuchungsbereich sein.
  • Sie müssen mit den zu beobachtenden Arbeiten soweit vertraut sein, dass sie die beobachteten Vorkommnisse den einzelnen Ablaufarten richtig zuordnen können.

1i. Information des Untersuchungsbereichs

Es ist für die Akzeptanz der MMA wichtig, frühzeitig konkrete Informationen bezüglich der Ziele und der Vorgehensweise zur geplanten MMA an alle betroffenen Beschäftigten und die Interessenvertretung zu geben und Fragen zu beantworten.

Anlage 24– Information der Beschäftigten (Praxisbeispiel des BAFzA)

2. Durchführung

Beobachtungen durchführen

Der Beobachter geht den vorgegebenen Rundgangsweg zu vorgegebenen Zeitpunkten ab, notiert an den festgelegten Beobachtungsstandpunkten und Arbeitssystemen die Beobachtung im dafür vorgesehenen Formular und führt Zwischenauswertungen durch.

Vorgehensweise: Ins Zimmer treten, ohne anzuklopfen / ohne sich bemerkbar zu machen. Die Beschäftigten sollen so wenig wie möglich gestört und in ihren Tätigkeiten unterbrochen werden.

Um die Zwischen- und Endauswertung zu erleichtern und zu Dokumentationszwecken empfiehlt es sich, Auszählungen der Beobachtungen am Ende des Tages bzw. der Woche in einer Auswertungsdatei zusammenzufassen.

Anlage 25: Erfassung und Auswertung MMA (Praxisbeispiel des BAFzA)

3. Auswertung

In der Auswertephase werden rechnerische und grafische Auswertungen vorgenommen.

3a. Zwischenauswertung

Eine Zwischenauswertung dient dazu, die Schätzung des Prozentanteils der interessierenden Ereignisse und Tätigkeiten bzw. der Ablaufart zu überprüfen. Sollten mehr Beobachtungen nötig sein, wird der Stichprobenumfang korrigiert, um die geforderte Genauigkeit letztlich zu erfüllen. Eine Zwischenauswertung wird in der Regel nach einem Viertel der voraussichtlichen Beobachtungen durchgeführt und besteht aus folgenden Schritten:

  • Ermittlung der Anzahl aller Beobachtungen, sowie der Anzahl der auf einzelne Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten entfallenden Beobachtungen,
  • Berechnung des Prozentanteils p der Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten nach folgender Formel (x = beobachtete Fälle; n = Anzahl der durchgeführten Beobachtungen):

Quelle: eigene Darstellung

Beispiel (Fortsetzung): Die Zwischenauswertung wurde nach 2 Tagen und damit nach 1250 von 1875 Beobachtungen durchgeführt. Dabei wurde das interessierende Ereignis und Tätigkeit bzw. die Ablaufart "persönliche Verteilzeit" in 185 Fällen beobachtet. Daraus ergibt sich der folgende Anteil p für persönliche Verteilzeit:

Quelle: eigene Darstellung

Im nächsten Schritt wird nun der gegenwärtige absolute Vertrauensbereich mit Hilfe des vorliegenden Anteils p an dem interessierenden Ereignisse/Tätigkeit bzw. der Ablaufart „persönliche Verteilzeit“ ermittelt:

Quelle: eigene Darstellung

Ist der geforderte absolute Vertrauensbereich nicht erreicht und weichen die tatsächlichen Prozentanteile von den geschätzten ab, ist der Stichprobenumfang anzupassen. Die bereits dargestellte Formel für die Errechnung des Stichprobenumfangs findet hier Anwendung.

Beispiel (Fortsetzung):

Quelle: eigene Darstellung

Aus diesem Ergebnis (776 Beobachtungen) ergibt sich, dass die Anzahl der durchgeführten Beobachtungen nicht erhöht werden muss. Damit die Erhebung per MMA weiterhin repräsentativ bleibt, darf aber auf keinen Fall die Anzahl der Rundgänge und / oder die Anzahl der Beobachtungen reduziert werden.

Würde die Berechnung ergeben, dass die Anzahl der durchzuführenden Beobachtungen erhöht werden muss, ist Folgendes zu tun:

Dies wirkt sich, wenn der Beobachtungszeitraum nicht verändert werden soll, auf die Anzahl der Rundgänge pro Tag aus. Zur Berechnung der notwendigen Rundgänge werden die bereits durchgeführten Beobachtungen von den notwendigen abgezogen und durch die Zahl der noch verbleibenden Untersuchungstage und die Beobachtungen pro Rundgang dividiert:

Quelle: eigene Darstellung

Unter der Voraussetzung, dass die Repräsentativität und die geforderte Genauigkeit nicht verletzt werden, ist Folgendes zu tun:

Um tatsächlich alle notwendigen Beobachtungen in der verbleibenden Untersuchungszeit durchführen zu können, muss die Zahl der Rundgänge pro Tag erhöht werden. Hier ist zu beachten, dass ein Mehr an Rundgängen zu einer prozentualen Verschiebung der Aufgaben führt.

Ist es aus Kapazitätsgründen nicht möglich, die Zahl der Rundgänge pro Tag zu erhöhen, oder beeinträchtigt die Erhöhung auf xx Rundgänge pro Tag die Repräsentativität (typische Bedingungen), kann alternativ auch der Untersuchungszeitraum ausgedehnt werden. Auch hier ist zu beachten, dass der Untersuchungszeitraum repräsentativ bleiben muss (man also bspw. nicht in stark abwesenheitsbelastete Zeiten gelangen darf).

Eine vorzeitige Beendigung der Multimomentaufnahme darf nicht erfolgen, auch wenn genügend Beobachtungen vorliegen, da der gesamte, zur Verfügung stehende Arbeitszeitraum im Rahmen der Repräsentativität abzubilden ist. Ansonsten besteht bei Schwankungen die Gefahr, dass ein wesentlicher Teil der Tätigkeiten nicht beobachtet werden kann oder unterrepräsentiert ist.

3b. Endauswertung

Nachdem alle Beobachtungen durchgeführt wurden, findet die Endauswertung der gesammelten Daten statt. Die Vorgehensweise gleicht der Zwischenauswertung. Zunächst werden die Anteile p der Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten (beobachtbare Aufgaben) anhand ihrer Beobachtungszahlen ermittelt und daraus der absolute Vertrauensbereich (geforderte Genauigkeit) errechnet. Diese sollte für das interessierende Ereignis/Tätigkeit bzw. Ablaufart, die das Untersuchungsziel abbildet, innerhalb des absoluten Vertrauensbereiches bzw. der geforderten Genauigkeit liegen. Ist dies nicht der Fall, müssen weitere Beobachtungen durchgeführt werden. In einigen Fällen kann es notwendig werden, die gewonnenen Daten auf deren Aussagekraft (Richtigkeit) zu überprüfen. Beispielsweise könnte die berechtigte Abwesenheit der Beschäftigten mit den entsprechenden Zeitaufschreibungen einer Periode verglichen werden. Die Auswertung der MMA liefert die relativen Häufigkeitsanteile für die Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten des Ablaufartenkataloges und die erhobenen Verteilzeiten

Aus den Häufigkeitsanteilen können nun, je nach Zielsetzung der MMA, verschiedene andere Bezugsgrößen abgeleitet werden, beispielsweise die durchschnittlichen Grundzeiten und mittleren Bearbeitungszeiten oder der Personalbedarf für eine Aufgabe.

Beispiel – durchschnittliche Grundzeit:

Die MMA ergibt an einem Arbeitsplatz einen relativen Häufigkeitsanteil für die Aufgabe "Rechnungen bearbeiten" von 41%. Bei einer Jahresarbeitszeit von 93.233 Minuten (Tarifbeschäftigte (vergleichbar gehobener Dienst, Vollzeit, 39 Std./Woche, Stand Februar 2020) würden also 38.226 Minuten auf diese Aufgabe entfallen. Aus Statistiken wurde ermittelt, dass pro VZÄ pro Jahr durchschnittlich 3.976 Belege [80] geprüft worden sind. Die durchschnittliche Grundzeit für eine Belegprüfung beträgt demnach 9,61 Minuten.

3c. Endauswertung in Kombination mit anderen Erhebungsmethoden

Die MMA kann sowohl eigenständig als auch in Kombination mit anderen Erhebungsmethoden (beispielsweise Selbstaufschreibung) durchgeführt werden. In Kombination dient sie häufig zur
Plausibilisierung der mittels anderer Erhebungsmethoden erhobenen Daten, wie beispielsweise zur Überprüfung der in der Selbstaufschreibung erhobenen sachlichen Verteilzeiten und/oder anderer Zeiten, wie z. B. Teilnahme an BGM, Personalversammlung und/oder Fortbildungen. Der Katalog der Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten kann wie folgt aussehen:

Beobachtungs- merkmalAblaufartBeschreibungSinnvoll, wenn
Karte TBearbeitungszeitBearbeitung der originären (Fach-)AufgabeUntersuchungsziel
Karte SSachliche Verteilzeitungeplante StörungenUntersuchungsziel
Karte PPersönliche Verteilzeitprivate und persönliche VerrichtungenUntersuchungsziel
Karte PAPlanmäßige AbwesenheitDienstanfang/-ende, Urlaub, Krankheit, Dienstreise, tarifrechtliche PauseUntersuchungsziel
Karte FInterne / externe FortbildungTeilnahme des / der Beschäftigtendies z. B. nicht anders erfasst wird, aber für die Untersuchung von Belang ist
Karte PVPersonalversammlungTeilnahme des / der Beschäftigtendies z. B. nicht anders erfasst wird, aber für die Untersuchung von Belang ist
Karte BGMBetriebliches GesundheitsmanagementTeilnahme des / der Beschäftigtendies z. B. nicht anders erfasst wird, aber für die Untersuchung von Belang ist

Tabelle 18: Beispiele für die Plausibilisierung von Aufgaben- und Verteilzeitanteilen mittels MMA

Sofern die Werte der Selbstaufschreibung (d. h. beispielsweise die erhobenen sachlichen Verteilzeiten) nicht mit den beobachteten Werten der MMA übereinstimmen, sollte nach den Ursachen der Abweichung geforscht werden. Sollten Abweichungen nicht aufgeklärt werden können, haben die Ergebnisse der MMA bei der Personalbedarfsermittlung die höhere Aussagekraft und damit Priorität, da sie auf einer neutralen externen Beobachtung beruhen.[81]

3d. Ergebnisse interpretieren

Bei der Interpretation der Ergebnisse ist zu beachten, dass es sich bei der MMA um eine Wiedergabe der Ist-Situation handelt. Sie kann Informationen zu erhöhten persönlichen und sachlichen Verteilzeiten, zu langen Wartezeiten, überzogener Teilnahme an BGM etc. liefern. Diese Informationen und Ursachen sind nun weiter zu analysieren und in der Folge für das SOLL und die Fortschreibung der PBE zu optimieren.

In unserem Beispiel wurde ein deutlich zu hoher Anteil an persönlichen Verteilzeiten ermittelt: Dieser ist nun weiter zu analysieren und hinsichtlich seiner Bedeutung für die SOLL-Konzeption kritisch zu bewerten.

2.4.3.11.5.8 FAQ

Wann handelt es sich um eine „verwertbare Beobachtung“?

Eine Beobachtung ist verwertbar, wenn ein Ereignis, eine Tätigkeit bzw. Ablaufart eindeutig abgegrenzt, zugeordnet und beobachtet worden ist. Ist die nicht der Fall, ist ein Ereignis/Tätigkeit bzw. Ablaufart wie beispielsweise „nicht erkennbar“ etc. zu schlüsseln.

Wann ist die MMA noch eine Fremdbeobachtung und wann schon eine Selbstaufschreibung?

Sobald mit Aufstellern (z. B. Parkkarte, Würfel) gearbeitet wird, ist für die Organisatoren / Beobachter kaum nachprüfbar, ob die Beschäftigten tatsächlich das tun, was gerade auf der Karte / dem Würfel / … steht.

Mit flächendeckender Einführung der E-Akte in den Bundesbehörden: Was ist noch beobachtbar?

  • Auch künftig wird es Beobachtungen geben können, z. B. An- und Abwesenheiten am Schreibtisch / Arbeitsplatz, Teilnahme an Besprechungen, auftretende Störungen etc.
  • In publikumsintensiven Bereichen sind beispielsweise Beratung, PC-Tätigkeit etc. beobachtbar und abgrenzbar.
  • Soweit der / die Beschäftigte eingreift, indem er / sie die Fremdbeobachtung weitgehend durch Eigenbeobachtung (Aufstellen / Einstellen von Karten / Parkuhren / Würfeln) ersetzt, verschwimmen die Grenzen zur Selbstaufschreibung.
  • Um ein Gefühl für den Aufgaben- und Untersuchungsbereich zu bekommen, kann die MMA auch künftig gut eingesetzt werden.

Darf die Methode unterbrochen werden?

In jeder Methode darf unterbrochen werden, es geht um die Anzahl der Beobachtungen (geforderte Genauigkeit) in einem repräsentativen Untersuchungsbereich. Wenn Mittwoch ein Feiertag ist und viele Beschäftigte am Donnerstag und Freitag den Brückentag als freien Tag nutzen, ist evtl. die ganze Woche nicht repräsentativ. Wenn in einer Woche zwei von 10 Beschäftigten einen Tag auf Fortbildung sind, kann das schon repräsentativ sein, denn es werden immer einige Beschäftigte abwesend sein (Gleittage, Urlaub, Krankheit, Fortbildung). Wenn demgegenüber eine Woche ausgewählt wird, wo ausnahmsweise alle Beschäftigten jeden Tag da sind, ist dies ebenfalls nicht repräsentativ.

Darf die MMA vorzeitig beendet werden, weil ich genügend Beobachtungen erreicht habe?

Nein. Eine vorzeitige Beendigung der MMA darf nicht erfolgen, auch wenn genügend Beobachtungen vorliegen, da der gesamte, zur Verfügung stehende Arbeitszeitraum im Rahmen der Repräsentativität abzubilden ist. Ansonsten besteht bei Schwankungen die Gefahr, dass ein wesentlicher Teil der Ereignisse oder Tätigkeiten bzw. Ablaufarten nicht beobachtet werden kann oder unterrepräsentiert ist.

2.4.3.11.5.9 Arbeitshilfen / Unterlagen


  • BAFzA (siehe Anlagen 21-26)
    Anlage 21 Beispiel für einen Raum-Rundgangsplan MMA
    Anlage 22 Zufallsgenerator Rundgänge MMA
    Anlage 23 Vorlage Aufnahmebogen MMA
    Anlage 24 Information der Beschäftigten zur MMA (Praxisbeispiel des BAFzA)
    Anlage 25 Erfassung und Auswertung MMA (Praxisbeispiel des BAFzA)
    Anlage 26 Parkuhr, Praxisbeispiel BAFzA
  • DRV Oldenburg-Bremen (siehe Anlage 27)
  • BAV (siehe Anlagen 28-30)
    Anlage 28 Praxisbeispiel BAV, Zeittableau Rundgänge
    Anlage 29 Praxisbeispiel BAV, Zusammenführung Rundgänge
    Anlage 30 Praxisbeispiel BAV, Hinweise zur Anzeigetafel
  • Anlage 31 Praxisbeispiel DRV Bund, Vorstellung der MMA für die Beschäftigten

2.4.3.11.5.10 Praxistipps


  • Die Festlegung eines repräsentativen Erhebungszeitraumes (typische Bedingungen) sollte in Abstimmung mit dem Betrachtungsbereich stattfinden. Dabei empfiehlt es sich, ein bis drei Anfangstage zur Gewöhnung einzuplanen, welche nicht in die Berechnung einfließen. Erfahrungsgemäß sind Verhaltensänderungen auf wenige Tage begrenzt.
  • Sollten die zu beobachtenden Beschäftigten und Arbeitsplätze auf zwei oder mehrere Liegenschaften verteilt sein, ist die Erstellung eines Rundgangplans für alle Liegenschaften empfehlenswert. Am einfachsten ist es, die Arbeitsplätze bzw. die Liegenschaften durchzunummerieren und per Zufallsgenerator auszuwählen. Hierbei muss der zeitliche Aspekt beachtet werden: Der Rundgang sollte im Vorfeld der Erhebung testweise abgelaufen (geübt) und die dafür benötigte Zeit ermittelt werden, um festzustellen, wie viele Rundgänge am Tag tatsächlich leistbar sind.
  • Zu beachten ist hier die Rahmenarbeitszeit, d. h. die Rundgänge müssen bei einer Rahmenarbeitszeit von 6:00 bis 21:00 Uhr auch innerhalb des gesamten Zeitraums durchgeführt werden und nicht nur in "Kernarbeits-" oder "Servicezeiten".
  • Es empfiehlt sich, die Reihenfolge der Arbeitsplätze im Rundgang gemäß Zufallsprinzip zu ändern, damit die zu Beobachtenden sich nicht darauf einstellen können: Die MMA an sich und der Zeitraum, in dem sie stattfindet, ist vorher angekündigt, die einzelnen Zeiten der Rundgänge dagegen nicht.
  • Vorgehensweise: Ins Zimmer treten, ohne anzuklopfen / ohne sich bemerkbar zu machen. Die Beschäftigten sollen so wenig wie möglich gestört und in ihren Tätigkeiten unterbrochen werden.
  • Die Beobachtenden sollen neutral sein, den Betrachtungsbereich aber insoweit kennen, dass sie die Beobachtungsmerkmale der Ereignisse und Tätigkeiten bzw. Ablaufarten zuordnen können. Auch Azubis, Referendarinnen und Referendare, studentische Hilfskräfte etc. können für das Beobachten eingesetzt werden, es müssen nicht Organisatorinnen bzw. Organisatoren sein.
  • Fallen Beobachtungen an, die durch den Beobachter nicht zugeordnet werden können, sind diese gesondert zu vermerken (z. B. "nicht erkennbar / nicht zuordenbar"). Dies sollte die Ausnahme darstellen und möglichst durch die vorgeschaltete Testphase bereits identifiziert werden. Insgesamt sollten die „nicht erkennbaren / nicht zuordenbaren“ Beobachtungen einen Anteil von 2-3% der Gesamtbeobachtungen [82] nicht überschreiten. Es ist sinnvoll zu definieren, wie vorzugehen ist, wenn das Ereignis/Tätigkeit bzw. die Ablaufart während der Beobachtung wechselt: Sinnvollerweise zählt hier der "erste Blick", entsprechend wird diese beobachtet Ereignis/Tätigkeit bzw. Ablaufart notiert.
  • Es sollte darauf geachtet werden, dass das gewählte Format (Würfel, Karte, Parkuhr, …) so groß ist, dass die Ereignisse und Tätigkeit bzw. Ablaufarten eindeutig zu erkennen sind, sobald der Beobachtende das Büro der zu beobachtenden Person, des zu beobachteten Arbeitsplatz betritt.
  • Der Katalog der Ereignisse und Tätigkeit bzw. der Ablaufartenkatalog sollte zur Vervollständigung das Ereignis/Tätigkeit bzw. die Ablaufart „planmäßige Abwesenheit“ beinhalten, z. B. für Urlaub, Krankheit etc. (bspw. mit Karte E belegt). Die in dem Ereignis/Tätigkeit bzw. Ablaufart E "planmäßige Abwesenheit" notierten Beobachtungen werden bei der Auswertung nicht berücksichtigt, da die beobachteten Personen in dieser Zeit abwesend waren und die Erhebung (Anteil der Verteilzeit an der Arbeitszeit) ansonsten verfälscht würde. Die Stichprobe ist dann erfüllt, wenn die berechnete Anzahl der erforderlichen Beobachtungen - ohne die Beobachtungen des Ereignis/Tätigkeit bzw. der Ablaufart E – erreicht ist.
  • Möglichkeit des Einsatzes bei Telearbeitenden: an den Telearbeitstagen machen diese Beschäftigten im Rahmen eines Methodenmixes eine Selbstaufschreibung - diese wird kombiniert mit dem „Chronos“ (Pieper)
  • Lösung für mobiles Arbeiten / Telearbeit: In Behörden, in den flächendeckend Skype eingesetzt wird, wäre auch die Skype-Auswertung eine Möglichkeit, soweit die Beschäftigtenvertretung zugestimmt hat.
  • Weitere Anwendungsbeispiele in der Praxis (als Vollerhebung): Kundencenter: Hier wäre es beispielsweise möglich, in einer Vollerhebung die Kundenkontakte, die Arbeit am PC und ablaufbedingtes Warten, ungeplante Störungen, Abwesenheit vom Arbeitsplatz etc. zu beobachten und zu erheben.

2.4.3.11.5.11 Mögliche Hilfsmittel


  • Parkscheibe / Parkuhr (vgl. Anlage 27: Parkuhr, Praxisbeispiel BAFzA)
  • Würfel (vgl. Anlage 28: Multimomentwürfel, Praxisbeispiel DRV Oldenburg-Bremen)
  • Tetraeder
  • Aufsteller
  • Tafeln
  • Chronos (= Pieper)
  • Web-Oberflächen-Anzeiger
  • Tablet

Fußnoten

[72] Vgl. Abschnitt zur Teilerhebung mittels Stichprobe im Leitfaden Personalbedarfsermittlung
[73] Vgl. auch Abschnitt zur Teilerhebung mittels Stichprobe
[74] möglicherweise gibt es Grenzen in der Akzeptanz der beobachteten Beschäftigten, dafür sollte vorab sensibilisiert werden.
[75] Vgl. auch datenschutzrechtliche Aspekte bei Organisationsuntersuchungen
[76] https://refa-consulting.de/unternehmensberatung/multimomentaufnahmen (abgerufen am 11.12.2020, 14:08 Uhr)
[77] vgl. REFA-Lehrunterlagen zur Multimomentaufnahme
[78] Der Umfang p ist wird nicht immer geschätzt, sondern liegt manchmal auch durch Prüfberichte, vorausgegangenen Untersuchungen etc. vor.
[79] Zur Erläuterung des Zufallsgenerators: Die Formeln passen sich bei jedem Öffnen der Datei automatisiert an. Den maximalen und minimalen Abstand kann man variabel gestalten.
[80] Betrachtungszeitraum ist beispielsweise ein Monat. Wenn die Mengen hochgerechnet auf das Jahr tatsächlich repräsentativ sind, können diese hier angewendet werden.
[81] Wird ein Pieper (z. B. Chronos) eingesetzt, verschwimmen die Grenzen zwischen externer Beobachtung per MMA und Selbstaufschreibung.
[82] vgl. REFA-Lehrunterlagen zur Multimomentaufnahme