3.3.2 Prozessmanagement einführen

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Einführung

Um ein Prozessmanagement zu betreiben, ist es notwendig, die bisher dezentral in einzelnen Bereichen durchgeführten Schritte des prozessorientierten Arbeitens nach einheitlichen Standards in der gesamten Organisation zu durchlaufen. Dazu sind organisatorische, fachliche und technische Unterstützungsleistungen für die Organisation zu entwickeln und bereitzustellen. Einen Überblick über die zentralen Aufgaben zur Einführung von Prozessmanagement enthält Abbildung 1.

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 1: Zentrale Aufgaben zur Einführung eines übergreifenden Prozessmanagements

Da das Prozessmanagement auf die organisationsweite, strategiekonforme Steuerung der Prozesse zielt, liegt die Verantwortung bei der Behördenleitung und den oberen Führungskräften (z. B. Abteilungsleitungen). Hat die Behördenleitung entschieden, Prozessmanagement einzuführen, sollte die Einführung von Prozessmanagement als Projekt organisiert werden, in dem alle Voraussetzungen für die Etablierung von Prozessmanagement als Daueraufgabe in der Linie geschaffen werden.

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Die Einführung von Prozessmanagement kann alternativ auch von einer temporären Arbeitsgruppe mit Mitgliedern aus verschiedenen Bereichen der Organisation vorangetrieben werden. Hier können besonders überzeugte und motivierte Beschäftigte aller Hierarchieebenen, die bereits über Erfahrung im prozessorientierten Arbeiten verfügen, ihre Erfahrungen und Kenntnisse austauschen und gemeinsam Standards für das übergreifende Prozessmanagement erarbeiten. Die Gruppe sollte sich selbst organisieren, eine klare (strategische) Zielvorgabe erhalten und regelmäßig die Möglichkeit haben, mit ihrem Auftraggeber (Behördenleitung und obere Führungskräfte) Arbeitsergebnisse abzustimmen.

verweist auf: LiteraturverzeichnisLiteraturhinweis/Bildquelle: BMI

Ausführliche Informationen sind im folgenden Leitfaden enthalten:
Netzwerk Prozessmanagement (Hrsg.): Einführung in das strategische Prozessmanagement, 2017.

3.3.2.1 Ziele definieren

Die weiter oben als Mehrwert des Prozessmanagements beschriebenen Aspekte sind im Rahmen der Zieldefinition für das Prozessmanagement in jeder Organisation zu konkretisieren und dabei an den übergeordneten gesetzlichen und politischen Vorgaben sowie den strategischen Zielen der Organisation auszurichten. Dazu sind im ersten Schritt Dokumente zu analysieren, die entsprechende Vorgaben enthalten. Aus der Behördenstrategie können sich beispielsweise folgende Ziele für das Prozessmanagement ergeben:

  • Erhöhung der Effektivität von Verwaltungsabläufen,
  • Erhöhung der Effizienz von Verwaltungsabläufen,
  • Schaffung von Transparenz in Verwaltungsabläufen,
  • Sicherstellung von einheitlichen, den Erfordernissen entsprechenden Schritten in den Verwaltungsabläufen,
  • Schaffung und Einleitung von Prozessdigitalisierung
  • Steigerung der Qualität,
  • Bürokratieabbau und Bürger-/Unternehmensorientierung,
  • Wissensbewahrung und Wissenstransfer,
  • Verbesserung der Führungsunterstützung und Zielsteuerung (z. B. durch Kennzahlen).[10]

Von diesen noch abstrakten Zielen sind im nächsten Schritt konkretere Umsetzungsziele für das Prozessmanagement abzuleiten, z. B. in moderierten Workshops mit Vertreterinnen und Vertretern der Führungsebene und der Fachbereiche. Diese Ziele sind nach der SMART-Regel zu definieren und mit Kennzahlen zu unterlegen, anhand derer der Erfolg des Prozessmanagements gemessen werden kann (vgl. Ziele und Kennzahlen).

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Die Ziele des übergreifenden Prozessmanagements werden von der Behördenleitung freigegeben, da sie für die gesamte Organisation verbindlich sind. Um Akzeptanz für das dann folgende Herunterbrechen der Ziele auf die Ebene der Einzelprozesse zu sichern, muss die Zusammensetzung der Workshops sorgfältig überlegt werden. Es sollten Vertreterinnen und Vertreter der Führungsebene sowie erfahrene Prozessteam-Mitglieder beteiligt sein – insbesondere auch Wissensträgerinnen und Wissensträger aus den bisherigen dezentralen Aktivitäten des prozessorientierten Arbeitens.[11]

3.3.2.2 Ausgangssituation analysieren

Nachdem die übergreifenden Ziele definiert sind (Wohin wollen wir?) gilt es nun, die Ausgangssituation zu analysieren (Wo stehen wir?). Dazu sind die bisherigen dezentralen Aktivitäten des prozessorientierten Arbeitens systematisch zu erheben und auf ihre Relevanz für die nun verfolgten Ziele zu analysieren. Es empfiehlt sich, unter Berücksichtigung der bisherigen Erfahrungen den Organisationseinheiten einen Standard (z. B. Vorlage eines Prozesssteckbriefs, Fragebogen, Interviewleitfaden) zur Verfügung zu stellen, mit dem diese nun alle in ihrem Bereich ablaufenden Prozesse mit wenigen Kerninformationen beschreiben. Der Fokus sollte dabei auf denjenigen Informationen liegen, die aus übergeordneter Sicht von größter Bedeutung sind (z. B. Bindung von Personalressourcen, Fallzahlen, Arbeitsmengen). Organisationseinheiten, die bereits über Erfahrungen im prozessorientierten Arbeiten verfügen, können ihre eigenen Dokumentationen entsprechend anpassen. Andere, die jetzt erst beginnen, benötigen ggf. zunächst Unterstützung beim Vorgehen (vgl. Abschnitte: Prozesse identifizieren und priorisieren sowie Prozessmerkmale erheben und dokumentieren).

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„Für die Aufnahme der Ausgangssituation einschließlich des bereits erlangten Wissens und der Erfahrungen der Beschäftigten muss großzügig Zeit für Recherche, Dokumentenanalyse und Befragungen eingeplant werden.“ [12]

Erst die genaue Kenntnis der Ausgangssituation ermöglicht es, den Gesamtaufwand für die Einführung des Prozessmanagements realistisch einzuschätzen.

3.3.2.3 Prozesslandkarte erstellen

Die strukturierte Ergebnisdokumentation der Ausgangssituation (z. B. in Form eines Prozessregisters, vgl. Prozesse identifizieren und priorisieren) liefert im Idealfall einen Gesamtüberblick über alle in der Organisation ablaufenden Prozesse. Ein Abgleich dieser Zusammenstellung mit dem Aufgabenkatalog der Behörde ist dringend zu empfehlen, um die Vollständigkeit der Prozesslandkarte, die hieraus im nächsten Schritt erarbeitet wird, sicherzustellen. Darüber hinaus wird angeregt, die Prozesslandkarte unmittelbar mit einer Aussage zum Digitalisierungsgrad zu verbinden.

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Das Prozessmanagement setzt auf einem aktuellen Aufgabenkatalog auf, d. h. die den Prozessen zugrunde liegenden Aufgaben müssen auch tatsächlich für die Behörde relevant sein. Die Aktualität eines Aufgabenkataloges wird methodisch mit der Aufgabenkritik überprüft. Grundlegende Dokumente sind der Produktkatalog, der Geschäftsverteilungsplan, das Organigramm und der Aktenplan. Eine zweckkritische Aufgabenbetrachtung wird oftmals auf Basis einer neuen Behördenstrategie im anschließenden Umsetzungsprozess durchgeführt. Hat eine Aufgabenkritik noch nicht stattgefunden, muss diese in der Einführungsphase des Prozessmanagements erfolgen. Der so aktualisierte Aufgabenkatalog sollte regelmäßig fortgeschrieben werden.

Ist das Prozessregister vollständig und aktuell, kann daraus die Prozesslandkarte der Behörde entwickelt werden. Eine Prozesslandkarte bietet einen visualisierten groben Überblick über alle in einer Behörde ablaufenden Prozesse, unterteilt in Kern-, Führungs- und Unterstützungsprozesse. Sie ist Grundlage für die weitere Untergliederung und Abgrenzung der Prozesse sowie für die Ermittlung von Prozessschnittstellen sowie Einflüssen und Wechselwirkungen.[13] Im Kapitel „Methoden und Techniken“ finden sich im Abschnitt „Prozessmodelle“ ausführliche Informationen.

Da in aller Regel (auch) die Digitalisierung von Prozessen im Fokus des Prozessmanagements steht, bietet es sich an, bereits auf dieser obersten Ebene eine Ampel anzubringen, die den Digitalisierungsgrad[14] von Prozessen auf den ersten Blick transparent macht. Auf dieser Basis kann im nächsten Schritt das Digitalisierungspotenzial der priorisierten Prozesse analysiert werden.

Die Prozesslandkarte sollte allen Stakeholdern bekannt gemacht werden.

verweist auf: LiteraturverzeichnisLiteraturhinweis/Bildquelle: BMI

Ausführliche Informationen zur Erstellung einer Prozesslandkarte enthält der folgende Leitfaden.
Bundesverwaltungsamt: Leitfaden zur Erstellung einer Prozesslandkarte, Köln 2014, Schriftenreihe des Kompetenzzentrums Prozessmanagement.

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Praxisbeispiel: Prozesslandkarte mit Erläuterungen, DPMA


3.3.2.4 Prozesse priorisieren

Nachdem alle Prozesse identifiziert und in einer Prozesslandkarte im Überblick visualisiert sind, ist festzulegen, welche Prozesse aufgrund der übergreifenden Zielsetzung als erste einem kontinuierlichen Prozessmanagement unterzogen werden sollen. Das Ergebnis der Priorisierung beantwortet die Frage: Welche Prozesse tragen am meisten zur erfolgreichen Umsetzung der Gesamtstrategie bei? Priorisierungskriterien für die einzelnen Prozesse können z. B. sein:

  • Fallzahlen
  • Durchlaufzeiten
  • Ressourcenbindung
  • rechtliche Auswirkung, Sensibilität
  • Kundenzufriedenheit
  • Politische Relevanz
  • Kritikalität des Prozesses
  • Digitalisierungsgrad.[15]

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Für die Priorisierung der Prozesse anhand der festgelegten Kriterien bieten sich die ABC-Analyse und die Nutzwertanalyse an.

verweist auf: LiteraturverzeichnisLiteraturhinweis/Bildquelle: BMI

Bundesverwaltungsamt: Leitfaden für die Auswahl von Geschäftsprozessen, Schriftenreihe des Kompetenzzentrums Prozessmanagement, Köln, 2015.

Prozesssteckbriefe mit den relevanten Prozessmerkmalen (Metadaten, Attribute, vgl. Abschnitt 2.3.4 Prozessmerkmale erheben und dokumentieren) lassen sich recht unkompliziert aus einem Prozessregister ableiten und erstellen. Sie sollten für alle hoch priorisierten Prozesse vorliegen.[16]

Die Organisation verfügt nun über einen groben Überblick über alle ihre Prozesse (Prozesslandkarte) sowie über detaillierte Informationen zu den hoch priorisierten Prozessen (Schlüsselprozesse).

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„Es ist unbedingt darauf zu achten, dass für alle Stakeholder nachvollziehbar dargestellt wird, wie die Auswahl der prioritär zu optimierenden Prozesse zustande gekommen ist. Auch die Dokumentation (Prozesssteckbriefe und ggf. Turtle-Diagramme) zu den Schlüsselprozessen sollten für die Stakeholder einsehbar sein. Angesichts der Tragweite der Priorisierungen empfiehlt es sich, eine Informationsveranstaltung zu den Ergebnissen der Zieldefinition, der Ermittlung der Ausgangssituation und der Erfassung und Priorisierung der Prozesse durchzuführen. Dies bietet die Möglichkeit, die Ergebnisse zu erläutern und Rückfragen direkt zu beantworten.“ [17]

3.3.2.5 Standards definieren

Damit das prozessorientierte Arbeiten in einer Behörde möglichst effizient und transparent erfolgt, sind Standards für die Dokumentation und Kommunikation sowie das grundlegende Vorgehen zu entwickeln. Dazu gehören:

  • Festlegung eines Vorgehensmodells zur Identifikation, Analyse und Optimierung von Prozessen. Hierbei sollten die bisherigen dezentralen Akteure eingebunden sein, um auf positiven Erfahrungen aufzusetzen und diese einzubeziehen.
  • Auswahl und Bereitstellung einer geeigneten Software (Modellierungstool) zur Erfassung und Verwaltung der Prozesse (siehe Abschnitt 2.3.5 Prozessablauf erheben und dokumentieren). Ggf. kann zusätzlich eine Process-Mining-Software genutzt werden. Sie erlaubt die automatisierte Aufnahme und Visualisierung der Prozesse inkl. möglicher Prozess-Varianten einschließlich Häufigkeiten und Durchlaufzeiten in einem Self-Service-Ansatz (Methoden und Techniken, Process Mining).
  • Festlegung der Darstellungsformen (Notationen): Entsprechend den Festlegungen in der Architekturrichtlinie für die IT des Bundes müssen die Notationen Business Process Model (BPM) in der Version 2.0 und Ereignisgesteuerte Prozessketten (EPK) in der Bundesverwaltung verwendet werden.[18]
  • Definition der Konventionen.
  • Festlegung benötigter Modellsichten.

Für die detailliertere Ablaufdarstellung der als prioritär eingestuften Prozesse ist ausgehend von der Prozesslandkarte ein Ebenen-Konzept zu entwickeln. Dabei wird ausgehend von der groben Übersichtsdarstellung die Ablaufdarstellung schrittweise durch darunter liegende detailliertere Prozessmodelle verfeinert. In den betroffenen Organisationseinheiten sind dieses Konzept zu vermitteln sowie Fortbildungen für die Erstellung der verschiedenen Prozessmodelle durchzuführen.

Ausführliche Informationen finden sich in den folgenden Leitfäden.

verweist auf: LiteraturverzeichnisLiteraturhinweis/Bildquelle: BMI

Bundesverwaltungsamt, Konventionenhandbuch für eine einheitliche Prozessmodellierung, Schriftenreihe des Kompetenzzentrums Prozessmanagement, Köln, 2023.

Standards erleichtern fachliche Abstimmungen und helfen Missverständnisse zu reduzieren, da in allen Prozessmanagement-Aktivitäten einer Behörde "die gleiche Sprache gesprochen" wird. Zudem wird den Beschäftigten der Einstieg in Prozessmanagementprojekte erleichtert, da an das vorhandene Wissen angeknüpft werden kann und sich Einarbeitungszeiten somit verkürzen.

Es muss nicht jede Behörde das Rad immer wieder neu erfinden, es lassen sich vielmehr auch Synergien über die Grenzen der eigenen Behörde hinaus erzielen. So ist es z. B. möglich, bereits bestehende Konventionen zu nutzen und diese entsprechend den eigenen Anforderungen zu modifizieren.

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Je mehr unterschiedliche Erfahrungen in einer Behörde bereits gesammelt wurden, desto größer ist zwar die Basis für eine praxistaugliche Ausrichtung des Prozessmanagements. Allerdings wird es auch umso schwieriger, die etablierten, jedoch heterogenen Vorgehensweisen in Standards für ein gemeinsames Prozessmanagement zu überführen. Die vor der Einführung des übergreifenden Prozessmanagements erstellten Prozessdokumentationen sowie die weiteren Aktivitäten zur Analyse und Optimierung von Prozessen müssen ggf. nun aufgrund der Standards angepasst werden. Die Einbeziehung der bisherigen Akteure im prozessorientierten Arbeiten, ihres Wissens und ihrer Erfahrungen ist hier ein bedeutender Erfolgsfaktor - nicht nur für die Praxistauglichkeit der Festlegungen, sondern auch für deren Akzeptanz. Je intensiver die Wissensträgerinnen und Wissensträger ihre bisherigen Erfahrungen in die Erarbeitung von Standards einbringen und die Rolle der Multiplikatorin bzw. des Multiplikators übernehmen, desto einfacher wird die flächendeckende Umsetzung der Standards gelingen (Veränderungsmanagement).

3.3.2.6 Prozesscontrolling entwickeln

Mit dem Aufbau eines Prozessmanagements wird eine wachsende und fortschreibbare Datenbasis für die Steuerung von Prozessen geschaffen. Erst wenn diese Daten auch tatsächlich genutzt werden und zu kontinuierlichen Anpassungen und Verbesserungen führen, steht dem Erhebungs- und Pflegeaufwand ein Nutzen gegenüber, der den Aufwand rechtfertigt. Um diesen Steuerungskreislauf zu schließen, ist ein Prozesscontrolling aufzubauen, das sowohl die Steuerung einzelner Prozesse in den Organisationseinheiten als auch die Erfolgsmessung des übergreifenden Prozessmanagements erlaubt. Prozesscontrolling schafft Transparenz und liefert Impulse für die kontinuierliche Verbesserung. Es umfasst:

  • messbare Ziele des übergreifenden Prozessmanagements einschließlich entsprechender Kennzahlen,
  • messbare Ziele und Kennzahlen für die einzelnen Prozesse,
  • Festlegungen, wie die Kennzahlen erhoben werden, ggf. welche Datenquellen genutzt, in welcher Qualität Daten vorliegen müssen und wie die Daten aufbereitet werden,
  • Standards für das Berichtswesen: Festlegungen, von wem und in welchen Intervallen welche Kennzahlen gemessen und bewertet werden und wer diese Auswertungen erhält,
  • Umgang mit Abweichungen in der Zielerreichung.

Weitere Informationen hierzu finden sich im Abschnitt strategisches Management bzw. Controlling.

Die für das Prozessmanagement verantwortliche Organisationseinheit entwickelt die grundsätzlichen Ziele des Prozessmanagements und die sich daraus ergebenden Umsetzungsziele; sie werden von der Behördenleitung freigegeben. Die operative Prozesssteuerung in den Organisationseinheiten obliegt den Prozessverantwortlichen. Auf der Grundlage der vorgegebenen, strategischen Ziele leiten sie mit ihren Teams konkrete Maßnahmen, Ziele und Kennzahlen für ihre einzelnen Prozesse ab. Sie überwachen die Entwicklung ihrer Kennzahlen und reagieren auf Abweichungen von den Zielwerten.

Im Prozesscontrolling wird nicht jede operative Kennzahl der einzelnen Prozesse ausgewertet. Hier werden lediglich einige sogenannte Schlüssel-Kennzahlen (KPIs, Key Performance Indicators) zusammengeführt, die Auskunft darüber geben, inwieweit die Ziele des Prozessmanagements insgesamt erreicht werden. Es ist also festzulegen, welche der Kennzahlen für eine strategische Steuerung von Bedeutung sind, damit diese im Rahmen des Berichtswesens berücksichtigt werden.[19] Erst wenn hier Abweichungen zum formulierten Ziel festgestellt werden, muss in den einzelnen Bereichen nach Ursachen und Maßnahmen gesucht werden, um die Zielerreichung zu gewährleisten.

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Zu Beginn sollten nicht zu vielen Ziele und Kennzahlen definiert werden, weniger ist hier mehr. Der Fokus sollte auf Kennzahlen liegen, welche den jeweiligen Prozess als Gesamtheit erfassen und messen. Zu viele Kennzahlen können den Blick für das Wesentliche verstellen und schnell zu Überforderung führen. Auch müssen Aufwand und Nutzen in einem angemessenen Verhältnis stehen. Ausführliche Hinweise zur Entwicklung von Zielen und Kennzahlen finden sich künftig im Abschnitt: „Entwicklung von Zielen und Kennzahlen“.

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Beim Aufbau von Berichtsstrukturen empfiehlt es sich, mit einfachen Berichten im Word- oder Excel-Format zu beginnen. Die Einführung eines Prozesscontrollings ist eng mit den Personalvertretungen abzustimmen, da die Beschäftigten zu Beginn oft eine Leistungskontrolle befürchten. An dieser Stelle wird eine vertrauensvolle Zusammenarbeit mit den Gremien bzw. Interessensvertretungen vorausgesetzt. Gesamtberichte zur Kommunikation und Auswertung der erzielten Prozessverbesserungen gegenüber Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, internen Stellen, anderen Behörden (z. B. Fachaufsicht) und der Öffentlichkeit können die Akzeptanz des Prozessmanagements und des damit verbundenen Ressourceneinsatzes fördern. In der Praxis hat sich in diesem Zusammenhang die Integration eines professionellen Controlling-Tools bewährt.

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Damit Prozesscontrolling nicht als ein System zur Überwachung der Beschäftigten empfunden wird, muss über Abläufe, Strukturen, ermittelte Kennzahlen und den Nutzen des Prozesscontrollings regelmäßig informiert werden.[20]

3.3.2.7 Organisatorische Voraussetzungen schaffen

Prozessmanagement kann nur dann als Daueraufgabe funktionieren, wenn es aufbauorganisatorisch verankert ist, für alle Ebenen die Aufgaben, die Kompetenzen sowie die Verantwortlichkeiten (AKV-Prinzip)[21] klar definiert und ggf. in einem Rollenmodell gebündelt ist. Das für die z.T. neuen Aufgaben erforderliche Personal einschließlich erforderlicher Qualifikationen muss ermittelt und zur Verfügung gestellt werden.

  • Organisatorische Verankerung

Die zentral wahrzunehmenden Aufgaben des Prozessmanagements sollten in einer übergeordneten Stelle innerhalb der Organisation angesiedelt sein, z. B. in einer Stabsstelle oder in der für Organisation zuständigen Organisationseinheit. Auf diese Weise lässt sich am ehesten eine einheitliche Grundausrichtung des Prozessmanagements sicherstellen. "Insbesondere in größeren Organisationen mit stärker dezentral ausgerichteten Strukturen kann es angezeigt sein, diese Rolle über mehrere hierarchische Ebenen oder in verteilten Organisationseinheiten anzusiedeln. Bei einer solchen verteilten Wahrnehmung der Rolle muss durch klar definierte Zuständigkeitsverteilungen eine einheitliche Grundausrichtung sichergestellt werden." [22] Ein entsprechendes Rollenkonzept unterstützt die organisatorische Verankerung des Prozessmanagements.

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Praxisbeispiel: Organisatorische Verankerung des übergreifenden Prozessmanagements

  • Rollenkonzept

Für die Entwicklung eines Rollenkonzepts ist die Benennung der jeweiligen Rollen nicht vordringlich. Wichtig ist es vielmehr, eine auf die jeweilige Organisation angepasste Rollenstruktur zu entwickeln, wobei eine Person auch mehrere Rollen übernehmen kann. Die Rollenstruktur steht i.d.R. in engem Zusammenhang mit der Größe einer Organisation und sollte beim Rollenkonzept berücksichtigt werden. Auch können mehrere Personen die gleiche Rolle übernehmen (z. B. Prozessteam-Mitglied, Prozess-Fachkraft), die Rolle des oder der Prozessverantwortlichen sollte allerdings nur einer Person übertragen werden.[23] Um ein Rollenkonzept für die dauerhafte Wahrnehmung der Prozessmanagement-Aufgaben entwickeln zu können, ist im ersten Schritt zu klären, welche Aufgaben überhaupt künftig regelmäßig zu erledigen sind.

Typische Aufgaben des prozessorientierten Arbeitens in den Organisationseinheiten (Fachbereichen) sind beispielsweise:

  • Operative Prozessziele festlegen, die zur Erfüllung der strategischen Ziele beitragen
  • Kennzahlen definieren,
  • Prozessablauf neustrukturieren,
  • Prozess dokumentieren und freigeben,
  • Prozess einführen,
  • Prozess steuern, z. B. auf Basis von Kennzahlen,
  • Berichtspflichten erfüllen,
  • Prozessrisiken identifizieren und steuern,
  • auf veränderte Rahmenbedingungen reagieren,
  • Prozess kontinuierlich weiterentwickeln und optimieren.

Für diese Aufgaben werden in der Praxis z. B. die Rollen der oder des Prozessverantwortlichen und der Modelliererin / des Modellierers sowie des Mitglieds des Prozessteams definiert.[24]

Die Aufgaben und Ziele des übergreifenden Prozessmanagements werden von der Behördenleitung festgelegt und in der dafür zuständigen Organisationseinheit (z. B. Stabsstelle, Referat) angesiedelt. Die Behördenleitung trägt die Verantwortung dafür, dass die erforderlichen personellen und finanziellen Ressourcen für das Prozessmanagement zur Verfügung stehen. Für die neuen Aufgaben der kontinuierlichen übergreifenden Prozesssteuerung sollte zunächst eine Prognose des Personalbedarfs vorgenommen werden, die schrittweise durch eine Personalbedarfsermittlung (PBE-Leitfaden, Abschnitt „Neue Aufgaben“) zu härten ist.

Typische Aufgaben der Organisationseinheit „Prozessmanagement“ sind beispielsweise:

  • Festlegung und Überwachung von Standards (Vorgehensweisen, Methoden), Aufbereitung und Bereitstellung von Daten, inklusive der Controlling-Berichte,
  • Abstimmung mit Prozessverantwortlichen,
  • Bereitstellen von Hilfsmitteln zur Umsetzung von Prozessmanagementprojekten,
  • Verantwortung der Prozesslandkarte bzw. der Prozesslandschaft insgesamt,
  • Fachbereiche bei der Erfüllung der Aufgaben des Prozessmanagements sowie der Ausbildung der Rollenträger unterstützen.[25]

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Praxisbeispiel: Rollensteckbrief „Leiter bzw. Leiterin des übergreifenden Prozessmanagements, BMVG

Zu klären ist auch, ob die Aufgabe „Prozessmodellierung“ besser zentral oder dezentral wahrgenommen wird. Für beide Varianten gibt es verschiedene Ausprägungen mit entsprechendem Kennzeichen.

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Anhang „Organisationsvarianten für die Prozessmodellierung“
Generell können verschiedene Rollen (z. B. Modelliererin, Modellierer und Mitglied des Prozessteams) in einer Stelle gebündelt werden. Wichtig ist dabei, die (geschätzten) Zeitanteile der verschiedenen Aufgaben transparent darzustellen, um auf dieser Grundlage den quantitativen Personalbedarf insgesamt zu schätzen.

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Praxisbeispiel: Rollenkonzept im Prozessmanagement

Für den kontinuierlichen und erfolgreichen Betrieb eines Prozessmanagements ist die bedarfsgerechte Ausstattung mit Personalressourcen ein bedeutender Erfolgsfaktor. Dies gilt sowohl für die neuen Aufgaben der systematischen Prozesssteuerung (z. B. Prozesse modellieren, dokumentieren, Berichtspflichten wahrnehmen, bei Bedarf kontinuierlich Verbesserungen vornehmen) als auch für die Erreichung der festgelegten Kennzahlen (z. B. Bearbeitungszeit, Fallzahlen, Ergebnisqualität), die idealerweise aus den strategischen Zielen abgeleitet wurden. Auf der Grundlage detaillierter Prozessdokumentationen lässt sich die aktuelle Personalbindung in den Prozessen erfassen; für neue Aufgaben unterstützt das Rollenkonzept eine erste Prognose des erforderlichen Personalbedarfs. Ausführliche Informationen zur Personalressourcensteuerung und zur Personalbedarfsermittlung finden sich im PBE-Leitfaden.

Für die neuen Aufgaben des Prozessmanagements sind die erforderlichen Qualifikationen sorgfältig zu ermitteln. Für jede Rolle sollte ein kurzes Qualifikationsprofil festgelegt werden, auf dessen Grundlage je nach Vorkenntnissen der einzelnen Rollenträger, Qualifikationspläne erstellt und umgesetzt werden[26]. Soll das prozessorientierte Arbeiten in allen Organisationseinheiten und das Betreiben eines übergreifenden Prozessmanagements zur Selbstverständlichkeit in den Behörden werden, sollten entsprechende Qualifizierungsprogramme zum Standardangebot der Fortbildung gehören.

Fußnote

[10] Vgl. Netzwerk Prozessmanagement 2017, S. 18; Sächsische Staatskanzlei, 2018, S.9 ff.
[11] Vgl. Netzwerk Prozessmanagement 2017, S. 7.
[12] Netzwerk Prozessmanagement 2017, S.22.
[13] Vgl. Bundesverwaltungsamt, „Leitfaden zur Erstellung einer Prozesslandkarte“, S. 3, BVA CCPM.
[14] „Digitalisierungsbaukasten BVA“, aber Veröffentlichung voraussichtlich im 1. Quartal 2022.
[15] Weitere Priorisierungskriterien finden sich in der DIN SPEC 90158, Abschnitt 5.3.4.2, S. 31 ff.
[16] Vgl. Netzwerk Prozessmanagement 2017, S. 28.
[17] Netzwerk Prozessmanagement 2017, S. 28.
[18] Vgl. Architekturrichtlinie für die IT des Bundes 2020, S. 49 ff.
[19] Vgl. Netzwerk Prozessmanagement 2017, S. 36.
[20] Vgl. Netzwerk Prozessmanagement 2017, S. 43.
[21] Organisationsgrundsatz der Zusammenführung von Aufgaben, Kompetenzen und Verantwortung, vgl. auch § 4 Abs. 5 der Gemeinsamen Geschäftsordnung der Bundesministerien (GGO): „Aufgabe, Kompetenz und Verantwortung sollen auf der jeweiligen Bearbeitungsebene zusammengeführt werden“.
[22] DIN SPEC 90158, S. 42.
[23] Vgl. DIN SPEC 90158, S. 12
[24] Beispielhafte Rollen im Prozessmanagement sind u. a. im Kurzleitfaden Geschäftsprozessmanagement, S. 7 ff. beschrieben.
[25] Weitere Informationen zu typischen Aufgaben und möglichen Rollen Aufgaben im Prozessmanagement enthält DIN SPEC 90158, S. 12 ff.
[26] Vgl. Netzwerk Prozessmanagement 2017, S. 48.