3.3.4.2 Von der Prozessdokumentation zum Management von Prozessen – die Entwicklung des Geschäftsprozessmanagements beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA)

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Einführung

Kapitel im Orghandbuch3.3 Prozessmanagement
Titel des AnhangsVon der Prozessdokumentation zum Management von Prozessen - die Entwicklung des Geschäftsprozessmanagements beim Deutschen Patent- und Markenamt (DPMA)
QuelleDeutsches Patent- und markenamt (DPMA)
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Das Prozessmanagement im DPMA hat sich aus einem abgeschlossenen Bereich mit operativem Prozessmanagement heraus hin zu einem strategischen Prozessmanagement für das gesamte Amt entwickelt.
Neben der Bereitstellung einer einheitlichen Informationsbasis und der Herstellung von Transparenz über Abläufe und Zuständigkeiten für alle im DPMA Beschäftigten, steht die zielorientierte strategische Steuerung und die kontinuierliche Verbesserung der Arbeitsabläufe im Mittelpunkt.

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 1: Entwicklung des Prozessmanagements im DPMA

Die dargestellten und im Weiteren beschriebenen Stufen der Entwicklung des Prozessmanagements im DPMA sind keine streng sequentiellen Blöcke. Insbesondere die Stufen 2 – 4 überlappen sich, da die Grundlagen der späteren Stufe 3 und 4 bereits in der vorhergehenden Stufe 2 gelegt werden müssen. Dieses überlappende Denken trägt wesentlich zur Vermeidung von Doppelarbeiten oder aufwändigen Reorganisationsschleifen bei. Darüber hinaus erfordert die Erhebung aller relevanten Prozesse einen nicht unerheblichen Zeitaufwand. Die Prozesse werden daher sukzessive über einen Zeitraum von mehreren Jahren erhoben. Die Prozesserhebung begleitet somit alle Stufen.

Der Start
Stufe 1: Digitalisierung im Schutzrechtsbereich Patente und Gebrauchsmuster und in den Schutzrechtsbereichen Marken und Designs

Das deutsche Patent- und Markenamt stand im Jahr 2004 vor der großen Herausforderung, einen Großrechner, über den die Geschäftslogik des Schutzrechtsbereiches Patente und Gebrauchsmuster und zentrale Dienste wie Zahlungsverkehr und Statistik abgebildet waren, ablösen zu müssen. Dieses System sollte nicht mit neuen Mitteln nachgebildet, sondern durch eine zukunftsfähige prozessbasierte Lösung ersetzt werden.
Die Entscheidung fiel zu Gunsten der Einführung einer workflowgesteuerten elektronischen Akte auf Basis einer serviceorientierten Architektur.

Um die Grundlage zur Umsetzung dieses Systems zu schaffen, mussten zunächst alle Arbeitsprozesse der Schutzrechtsbereiche Patente und Gebrauchsmuster systematisch erhoben und optimiert werden. Die Ergebnisse sollten dabei nicht nur innerhalb des Entwicklungsprojektes, sondern auch für künftige Weiterentwicklungen und mögliche andere Anwendungsfälle nutzbar gemacht werden. Dafür wurde ein operatives Geschäftsprozessmanagement aufgebaut.
Dieses beinhaltete eine Methode zur einheitlichen Beschreibung der Prozesse und weiterer notwendiger Informationsobjekte, Rollen und Verantwortlichkeiten und ein Geschäftsprozessmanagement-Werkzeug, welches die Modellierung, Verwaltung und Auswertung der Prozesse unterstützt.
Für jeden der identifizierten Prozesse wurde ein Prozessverantwortlicher festgelegt. Dessen Aufgabe bestand in der inhaltlichen Klärung und der Abstimmung des Prozessablaufs im Fachbereich. Für gleich ablaufende Prozesse, die aber in mehreren Organisationseinheiten bearbeitet werden, sollten künftig zwingend eine einheitliche Vorgehensweise entwickelt werden. Deshalb war die Festlegung der Prozessverantwortung von besonderer Bedeutung. Schritt für Schritt wurden die bestehenden Prozesse aufgenommen und insbesondere im Hinblick auf ihre Vereinheitlichung und die technische Unterstützung optimiert.

Die so entwickelten Sollprozesse wurden anschließend durch Vertreter des Fachbereiches überprüft, durch einen Benutzerausschuss freigegeben und anschließend in technische Prozesse als Basis des Workflows überführt. Für zentrale Aufgaben, wie z.B. die Digitalisierung eingehender Post oder die Vergabe von Aktenzeichen wurden zentrale Dienste entwickelt, die allen IT-Anwendungen zur Verfügung stehen. Diese Dienste wurden sukzessive in den Betrieb übergeben. Im Jahr 2011 konnte die vollständige vollelektronische Aktenbearbeitung für die Schutzrechtsbereiche Patente und Gebrauchsmuster in den Betrieb überführt werden.

Aufbauend auf den gesammelten Erfahrungen wurde anschließend für die weiteren Schutzrechtsbereiche (Marken und Designs) eine elektronische Aktenbearbeitung entwickelt.
Hierfür konnte auf die zentralen Dienste und teilweise auf bereits vorhandene Prozesse zurückgegriffen werden.

In der Stufe 1 lag der Fokus auf der Dokumentation und der Optimierung der Fachprozesse eines Schutzrechtsbereiches im Hinblick auf die Digitalisierung der Abläufe. Die Einführung erfolgte somit Bottom-Up.

Besondere Herausforderungen waren hierbei der Aufbau eines Prozessverständnisses in den betroffenen Fachbereichen und die Vereinheitlichung sowie die Optimierung von Abläufen. Dies ist essentiell, um eine gute Grundlage für eine technische Unterstützung zu schaffen und die ohnehin vorhandene Komplexität nicht weiter zu erhöhen. Nur ein im Hinblick auf seine Effektivität und Effizienz hin optimierter Prozess kann auch in einen guten digitalen Prozess umgesetzt werden. Dabei sind von Beginn an die Anforderungen und Möglichkeiten der Technik zu berücksichtigen, jedoch eine zu starke Fokussierung auf die Technik unbedingt zu vermeiden. Im Mittelpunkt müssen der Geschäftsprozess und dessen fachliche Anforderungen stehen.
Neben der Digitalisierung der Prozesse und der Ermöglichung einer workflowgestützten Arbeitsweise wurden gleichzeitig weitere positive Effekte erzielt. Die ausführliche und in einer auch für den Fachbereich verständlichen Notation erfolgte Dokumentation der Arbeitsprozesse ermöglichte künftig z.B. eine gezieltere und weniger arbeitsintensive Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in den Schutzrechtsbereichen.

Der Weg
Stufe 2: Aufbau eines strategischen Prozessmanagements

Das in Stufe 1 aufgebaute verbesserte Verständnis für die eigenen Prozesse in den einbezogenen Fachbereichen - sowohl bei den Führungskräften als auch bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern - führte zu einem besseren Verständnis des eigenen Beitrags zur erbrachten Verwaltungsleistung. Gleichzeitig wurde der Blickwinkel über den streng abgegrenzten eigenen Verantwortungsbereich hinaus erweitertet und das Verständnis für die Anforderungen der im Anschluss beteiligten Fachbereiche geweckt. Der Blick für das Zusammenwirken der unterschiedlichen Beteiligten am „eigenen Produkt“ wurde geschärft.
Der in Stufe 1 für die betroffenen Schutzrechtsbereiche generierte Nutzen sollte auch für die weiteren Fachbereiche des DPMA nutzbar gemacht werden. Dazu wurde der Fokus vom Prozessmanagement innerhalb eines abgegrenzten Bereiches hin zu einem Prozessmanagement für das gesamte DPMA erweitert. Eine gute Orientierung bot dem DPMA dabei der „Handlungsleitfaden für ein strategisches und operatives Prozessmanagement in der öffentlichen Verwaltung“, DIN SPEC 90158.
In Erweiterung des operativen Prozessmanagements, das auf die Erhebung und Verbesserung einzelner Prozesse abzielt, hat das strategische Prozessmanagement die Gesamt-Prozesslandschaft einer Organisation im Blick. Es geht dabei um ein möglichst reibungsloses und effektives Zusammenspiel aller Prozesse und um die Möglichkeit der Steuerung im Hinblick auf das Erreichen der strategischen Ziele der Organisation. Die Umsetzung dieses Erweiterungsschrittes ist nur mit der Unterstützung der höchsten Leitungsebene und einer engen Anbindung an diese zu erreichen.

Für das DPMA wurden darüber hinaus die folgenden konkretisierten Ziele für ein amtsweites Prozessmanagement definiert:

  • Herstellung von Transparenz für Arbeitsabläufe und Verantwortlichkeiten.
  • Bereitstellung einer einheitlichen Informationsbasis für das DPMA.
  • Ermöglichung zügiger Anpassung an neue Rahmenbedingungen.
  • Konsequente Ausrichtung der Prozesse am Leistungsempfänger.
  • Zielorientierte strategische Steuerung und kontinuierliche Verbesserung der Abläufe im DPMA.

In einem ersten Schritt wurden im DPMA deshalb die organisatorischen Voraussetzungen für die Aufbauorganisation des strategischen und des operativen Prozessmanagements geschaffen. Unter Nutzung der in Stufe 1 aufgebauten Kompetenz wurde das Aufgabengebiet „Strategisches Prozessmanagement“ geschaffen und in einer Stabsstelle der Amtsleitung, die bereits weitere Managementinstrumente umfasste, angesiedelt.

Die Aufgaben des strategischen Prozessmanagements umfassen die Entwicklung und Bereitstellung einer einheitlichen Methode zur Abbildung und Beschreibung von Prozessinformationen, die Implementierung von Freigabe- und Steuerungsmechanismen im Geschäftsprozessmanagement (Governance-Prozesse), die Bereitstellung eines Prozessportals und die Verknüpfung der im DPMA vorhandenen Managementinstrumente.

Parallel dazu wurde das operative Prozessmanagement aufgebaut. Es besteht aus einem Team von Prozessdesignern, welche im Sachgebiet „Operatives Prozessmanagement“ im Organisationsreferat angesiedelt sind, sowie den Prozesseignern und Prozessverantwortlichen in den Fachbereichen. Der Prozesseigner trägt als Führungskraft die Gesamtverantwortung für die Durchführung des Prozesses. Der Prozessverantwortliche ist im allgemeinen eine Fachkraft, die den Prozesseigner mit ihrem operativen Wissen und Handeln unterstützt und für die inhaltlich korrekte Beschreibung des Prozesses zuständig ist.

Neben dem Schaffen der organisatorischen Voraussetzungen umfasste die Stufe 2 im Wesentlichen die Entwicklung von Standards und der amtsweit einheitlichen Methode zum Beschreiben von Prozessinformationen sowie den Aufbau eines Prozessportals.

Auf der Basis der bereits in Stufe 1 entwickelten Grundmethodik und des bereits eingeführten Prozessmanagement-Tools wurde die Geschäftsprozessmanagement-Methode des DPMA um typische Geschäftsaspekte, wie z. B. Kundensicht, Informationen über verwendete Arbeitsmittel oder auch Richtlinien und Arbeitsanweisungen erweitert. Parallel dazu wurde innerhalb des Prozessmanagement-Tools eine Oberfläche geschaffen, die es allen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern des DPMA ermöglicht, die Zugang zu einem an das interne Netzwerk angeschlossenen Computer haben, leicht auf die erhobenen Prozessinformationen zugreifen zu können. Diese Oberfläche bildet die Grundlage des Prozessportals und ist in das Intranet des DPMA eingebunden. Die dort veröffentlichten Prozessinformationen haben einen mehrstufigen Freigabeprozess durchlaufen und sind für alle verbindlich. Einen Überblick über die Gesamtlandschaft der Prozesse bietet die Prozesslandkarte des DPMA. Über diese sind auch die bereits erhobenen detaillierten Prozesse tieferer Ebenen zugänglich.

Die folgende Abbildung zeigt die Einstiegsseite des Prozessportals.

Quelle: eigene Darstellung

Abbildung 2: Das Prozessportal des DPMA

In Stufe 2 lag der Fokus auf der Überführung des zunächst dezentral aufgebauten operativen Prozessmanagements in ein zentrales übergreifendes strategisches Prozessmanagement. In dieser Stufe wurde von der Bottom-Up-Sicht zur Top-Down-Sicht übergegangen.

Eine zentrale Herausforderung ist hierbei der begleitende Kulturwandel in den Köpfen aller Beteiligten im gesamten DPMA: weg von der streng funktionalen Sicht- und Arbeitsweise hin zu einer prozessorientierten Betrachtung. Der Blick muss sich über den eigenen Arbeitsplatz und Funktionsbereich hinaus erweitern und die gesamte Wertschöpfungskette bis hin zu den Bürgerinnen und Bürgern sowie den Kundinnen und Kunden erfassen. Das stellt hohe Ansprüche an die Mitarbeitenden und die Führungskräfte. Gleichzeitig wird aber auch die Chance eröffnet, den Wert der eigenen Arbeit besser zu erkennen.

Durch die Bereitstellung des Prozessportals wurde die Transparenz über Abläufe und Zuständigkeiten innerhalb des DPMA hergestellt und der Nutzen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter sichtbar. Diese profitieren von den leicht zugänglichen und verlässlichen Informationen.

Stufe 3: Verknüpfung der Managementinstrumente

Die in Stufe 2 geschaffene amtsweit verbindliche Methodik sichert die standardisierte Aufnahme und die Beschreibung der einzelnen Prozesse. Sie ist jedoch nicht unveränderlich, sondern wird im Laufe der Zeit weiterentwickelt. Je mehr Prozesse damit beschrieben werden und je mehr Organisationsbereiche dadurch involviert sind, um so detaillierter kann der Reifegrad der verwendeten Methodik (d.h. ihre Passgenauigkeit zum Erreichen der Ziele des Geschäftsprozessmanagements) beurteilt werden. In die Weiterentwicklung der Methodik müssen Vertreterinnen und Vertreter aller relevanten Organisationsbereiche (z. B. Prozessdesign, IT-Architektur, Qualitätsmanagement) eingebunden sein, damit deren Anforderungen und Bedürfnisse aufeinander abgestimmt und zu einem sinnvollen Ganzen verbunden werden können.

In der Stufe 3 wurde die Methodik im DPMA um verschiedene Managementaspekte erweitert. Zu einem wurden für das Organisationsmanagement Verbindungen zwischen den Prozessen und Organisationsmitteln geschaffen. Die Organigramme wurden um Stellentypen und Arbeitsplätze ergänzt und eine Zuordnung der in den Prozessen verwendeten Rollen zu den Stellentypen geschaffen. Dies ermöglicht für die Zukunft das Generieren von Aufgabenkatalogen und Stellenbeschreibungen.

Der im DPMA etablierte Strategieprozess führte zur Erweiterung der Methode um die Möglichkeiten, auch Vision/Mission, Handlungsfelder und strategische Ziele abbilden und mit den Prozessen verknüpfen zu können. So kann gezeigt werden, welchen Beitrag die Facharbeit in den jeweiligen Prozessen zum Erfüllen der Strategie leistet. Dabei war es auch nötig, den Übergang von der übergeordneten strategischen Sicht auf die operative Ebene, auf der sich die Prozesse bewegen, zu schaffen. Dieses wiederum unterstützt neben der strukturierten Prozessdokumentation und den festgelegten Gültigkeitszeiträumen für Prozesse, das Qualitätsmanagement des DPMA. Ist der festgelegte Gültigkeitszeitraum eines Prozesses ausgeschöpft, muss dieser durch den Prozessverantwortlichen überprüft und die Umsetzung ggf. notwendiger Anpassungen veranlasst werden.
Der Qualitätsmanagementbeauftragte erhält zu festgelegten Zeitpunkten eine Liste aller Prozesse, deren Gültigkeit in nächster Zeit abläuft und kann somit die Überprüfung und Aktualisierung dieser Prozesse nachverfolgen.
Die Managementinstrumente Controlling und Kosten- und Leistungsrechnung wurden durch die Aufnahme von (internen und externen) Dienstleistungen und Produkten in die Modellierungsmethode und deren Verbindung zu den Prozessen adressiert. Dadurch wird sichtbar, welche Dienstleistungen von welchen Prozessgruppen erbracht werden und welche Kostenstrukturen damit verbunden sind.

Das Wissensmanagement wird bereits durch strukturierte Prozessdokumentation und Verfügbarkeit der Beschreibungen für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter im Prozessportal unterstützt. Ein weiterer Aspekt ist die Verbindung von Regelwerken und Hilfsmitteln mit den einzelnen Prozessschritten. Dies bedeutet nicht nur eine Arbeitserleichterung für alle Prozessbeteiligten, sondern eröffnet auch die Möglichkeit der einfachen Einarbeitung neuer Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Aus diesem Grund wurden Objekte für die Verknüpfung von Geschäftsregeln und Dokumentationen mit den Prozessen in die Methode aufgenommen. Gleichzeitig wurden im Prozessportal weitere Ansichten, z. B. eine Katalogsicht für Geschäftsregeln geschaffen.
Die gezielte Aufnahme von Prozessen zur Sicherung und Übertragung von Wissen ist ein weiterer Baustein zur Unterstützung des Wissensmanagements.

Die zentrale Herausforderung in Stufe 3 ist es, die ursprünglich streng in Säulen getrennten Managementinstrumente inhaltlich so zusammenzuführen, dass sie verschiedene Facetten des gleichen (bzw. zusammengehörenden) Sachverhalts abbilden. Dies gelingt nur, wenn man den Prozess konsequent in das Zentrum der Betrachtung stellt.

Durch die Hinterlegung von Regularien in den erhobenen Prozessen, wird zum einen die Rechtssicherheit unterstützt. Zum anderen wird es so möglich, auf geänderte gesetzliche Rahmenbedingungen durch Anpassung der betroffenen Prozesse schneller reagieren zu können.

Das zunehmende Prozessverständnis und die Verbindung der Prozesse mit Dienstleistungen und Produkten führt zu einem besseren Verständnis der Bedeutung der erbrachten Leistung für den Empfänger (interner oder externer Kunde) und damit zu einer konsequenteren Ausrichtung der Prozesse am Leistungsempfänger.

Das Ziel
Stufe 4: Aufbau prozessorientierter Steuerungsmechanismen

In Stufe 3 wurden mit der Verknüpfung der Managementinstrumente wesentliche Voraussetzungen für ein integriertes Managementsystem geschaffen. Um jedoch steuern zu können, ist die Definition und Erhebung von Messgrößen, die den aktuellen Zielerreichungsgrad und die Prozessparameter wiedergeben, notwendig. Dabei kann auf die im bereits vorhandenen Berichtswesen festgelegten Kennzahlen zurückgegriffen werden. Diese sind zunächst zu überprüfen und auf ihre Eignung für eine prozessorientierte Steuerung zu hinterfragen. Wesentlicher Inhalt von Stufe 4 ist daher der methodische Aufbau von prozessorientierten Steuerungsmechanismen. Ausgehend von der Strategie beinhaltete die Stufe 3 zunächst die Möglichkeit, konkrete operative Ziele für die einzelnen Prozesse zu definieren und diese innerhalb des Geschäftsprozessmanagement-Werkzeugs mit den Prozessen zu verbinden. In Stufe 4 wurden Kennzahldefinitionen und Kennzahlbäume in die Methode aufgenommen und deren Verbindung zu Prozessen ermöglicht. So kann das Erreichen jedes operativen Zieles mit Hilfe definierter Kennzahlen gemessen werden.

Die Beschäftigung des DPMA mit dem Thema Betriebskontinuität (allgemein bekannt unter dem englischen Begriff Business Continuity Management (BCM)) und der Aufbau entsprechender Mechanismen nach dem BSI-Standard 200-4 machte die Verknüpfung zu einem weiteren Managementinstrument – dem Risikomanagement – notwendig. Das vom BSI definierte Vorgehen ist ebenfalls prozessorientiert und setzt somit die Kenntnis der Prozesslandschaft des Amtes voraus. Aufbauend auf dieser Kenntnis werden zunächst die Prozesse ausgewählt, die für den Betrieb auch bei einem eingetretenen Notfall weiter funktionstüchtig bleiben müssen. Es wird ermittelt, welche Ressourcen dafür unbedingt erforderlich sind. Diese Informationen werden in Rahmen einer Business Impact Analyse erhoben. Anschließend erfolgt auf Basis der auch in einem Notfall essentiellen Prozesse eine Risikoanalyse.
Die so gewonnen prozessbasierten Informationen werden in weiteren Schritten des BCM benötigt und müssen in regelmäßigen Abständen evaluiert werden. Aus diesem Grund wurde die Möglichkeit geschaffen, die Ergebnisse der Business Impact Analyse im Prozessmanagement-Werkzeug[1] beim jeweiligen Prozess zu hinterlegen und damit auch über das Prozessportal zugänglich zu machen. Zur Unterstützung der Risikoanalyse wurden in die Methode Risikodiagramme und die Risikomodellierung innerhalb der Prozesse aufgenommen.

Diese Erweiterungen der GPM-Methode und des Portals ermöglichen es nun, die Erstellung des Risikoatlas zur Korruptionsprävention und auch die Erfassung von Risiken weiterer Risikokategorien zu unterstützen. Gleichzeitig wurde damit die Basis für den Aufbau eines amtsweiten Risikomanagements gelegt.

Um die in den Prozessen hinterlegten vielfältigen Informationen nun auch zur Steuerung nutzen zu können, wurde im Prozessportal die Möglichkeit geschaffen, Steuerungsgrößen auch grafisch in Form von Dashboards anzeigen und an den entsprechenden Stellen optimal einbinden zu können. Bei der Erhebung von Messgrößen (Kennzahlen) ist stets darauf zu achten, dass es sich dabei um Informationen zur Steuerung der Prozesse handelt, die nicht für eine Mitarbeiterüberwachung oder Leistungskontrolle geeignet sind.
Die Entwicklung der eigentlichen Dashboards erfolgt sukzessive mit der Erhebung der Prozesse und wird deshalb noch einige Zeit in Anspruch nehmen. Zeitgleich muss das Rollen- und Rechtekonzept entsprechend weiterentwickelt werden.

Die größte Herausforderung in dieser Stufe ist die Identifikation geeigneter Steuerungsinformationen und deren zielgruppengerechte Aufbereitung. Dabei sind nicht nur die unterschiedlichen Anforderungen der verschiedenen Führungsebenen und der an den Prozessen beteiligten Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter zu beachten, sondern auch das bestehende Schutzbedürfnis gegenüber ggf. sensiblen Informationen. Ein ausgewogenes Rollen- und Rechtekonzept, welches sowohl das Informations- als auch das Schutzbedürfnis berücksichtigt, ist hier deshalb von besonderer Bedeutung. Die adäquate Nutzung der zur Verfügung stehenden Steuerungsinformationen setzt ein breites Verständnis für Prozesse und deren Schnittstellen bei den Führungskräften aller Ebenen voraus. Der Aufbau und die Anwendung der dafür notwendigen Kenntnisse müssen durch geeignete Informations- und Schulungsmaßnahmen begleitet werden.

Das Setzen operativer Ziele für die einzelnen Prozesse und das Herleiten dieser Ziele aus der Strategie des DPMA bildet die Basis für eine zielorientierte strategische Steuerung und eine kontinuierliche Verbesserung der Abläufe im DPMA.

Zusammenfassung und Erfahrungen

Im Deutschen Patent- und Markenamt hat sich das Geschäftsprozessmanagement aus einem Kern heraus (Dokumentation der Prozesse in den Schutzrechtsbereichen) über mehrere Stufen hinweg zu einem amtsweiten strategischen Prozessmanagement entwickelt. Dieser Aufbauprozess ist auch zum heutigen Zeitpunkt noch nicht abgeschlossen und wird noch einige Jahre andauern.

Die dafür notwendige zunehmende Fokussierung auf Abläufe, die nicht vollständig im eigenen Verantwortungsbereich liegen, stellt hohe Ansprüche an die Mitarbeitenden und die Führungskräfte. Die Beschäftigung mit Prozessen setzt bei allen Beteiligten die Bereitschaft voraus, etablierte Strukturen zu verlassen und sich neuen Blickwinkeln zu öffnen. Der damit einhergehende Kulturwandel braucht Zeit und Engagement. Er muss durch begleitende Maßnahmen wie Veränderungsmanagement, regelmäßige Informationen und Schulungen unterstützt werden. Voraussetzung für den Erfolg dieser Aktivitäten ist die klare und zielgruppengerechte Kommunikation der Ziele, die mit der Einführung des Geschäftsprozessmanagements verfolgt werden.

Bewährt hat sich im DPMA die Entwicklung über mehrere Stufen hinweg. Dies ermöglicht den Aufbau von Erfahrungen, die Eingang in die jeweils nächste Stufe finden können. Die Stufe 1 legte im DPMA den Grundstein für den Übergang vom arbeitsplatzbezogenen zum prozessorientierten Denken. Die Stufen 2 bis 4 bilden die Grundlage für das Entstehen eines integrierten Managementsystems auf der Basis von Geschäftsprozessen. Dieses Gesamtsystem galt und gilt es weiterhin durch die fortschreitende Prozessaufnahme und den unabdingbaren Kulturwandel von der streng funktionalen hin zu einer prozessorientierten Sicht mit Leben zu füllen. Dies wird das DPMA noch viele Jahre begleiten. Die ersten Früchte dieser Arbeit können jedoch bereits geerntet und auf jährlich steigende Erntemengen spekuliert werden.

Beschreibung der verwendeten Methode

Einhergehend mit dem stufenweisen Ausbau des Geschäftsprozessmanagements und der Definition der verschiedenen Ziele muss auch die Methode zur Erhebung und Beschreibung von Prozessinformationen stufenweise erweitert werden. Die Komplexität und die Anzahl der verwendeten unterschiedlichen Modelltypen steigen kontinuierlich von Stufe zu Stufe. Gleichzeitig erhöht sich die Auswertbarkeit der hinterlegten Informationen und damit der Nutzen für die beteiligten und betroffenen Organisationsbereiche. Die folgende Abbildung zeigt einen Überblick über die Entwicklung der Methode im DPMA.

StufeModelltypen
ProzesseOrganisationManagement-
informationen
1
  • Ereignisgesteuerte Prozessketten[2]
  • Rollendiagramme
2
  • Ereignisgesteuerte Prozessketten
  • Wertschöpfungsketten
  • Prozesslandkarte
  • Rollendiagramme
  • Organigramme
3
  • Ereignisgesteuerte Prozessketten
  • Wertschöpfungsketten
  • Prozesslandkarte
  • Rollendiagramme
  • Organigramme
  • Stellenzuordnungsdiagramme
  • Strategiediagramme
  • Produkt- und Dienstleistungs-diagramme
  • Architekturdiagramme
  • Geschäftsregeln
4
  • Ereignisgesteuerte Prozessketten
  • Wertschöpfungsketten
  • Prozesslandkarte
  • Rollendiagramme
  • Organigramme
  • Stellenzuordnungsdiagramme
  • Strategiediagramme
  • Produkt- und Dienstleistungs-diagramme
  • Architekturdiagramme
  • Geschäftsregeln
  • Risiken und Risikodiagramme
  • Kennzahlen und Kennzahlenzuordnungs-diagramme
  • Business Controls - Diagramme
  • Dashboards

Tabelle: Verwendete Modelltypen je Entwicklungsstufe

Fazit

Die wesentlichen Erkenntnisse aus den Erfahrungen des DPMA können folgendermaßen zusammengefasst werden:

  • Das Setzen von Zielen für das Prozessmanagement ist Voraussetzung für die notwendige Fokussierung, die Kommunikation und das Schöpfen von Nutzen.
  • Der Aufbau einer Prozessorganisation durch die Benennung von Prozessverantwortlichen und Prozesseignern in den Fachbereichen ist von grundlegender Bedeutung für die Einführung des Prozessmanagements. Insbesondere deren aktive und enge Beteiligung bei der Gestaltung und Fortentwicklung der Prozesse ist ein wesentlicher Erfolgsfaktor.
  • Die Bereitschaft für den notwendigen Wandel kann dann geweckt werden, wenn der Nutzen von Prozessmanagement für alle Beteiligten sichtbar gemacht werden kann.
  • Die Unterstützung der obersten Führungsebene ist Voraussetzung für die erfolgreiche Einführung, Akzeptanz und den fortdauernden Nutzen des Prozessmanagements. Diese kann unter anderem durch eine geeignete organisatorische Anbindung (im DPMA in einer Stabsstelle der Amtsleitung) unterstrichen werden. Dadurch wird die Bedeutung des Instruments im Amt gezeigt und geholfen Widerstände zu überwinden. Für die Erhebung der Prozesse müssen ausreichende personelle Ressourcen bei den Prozessdesignern und den Verantwortlichen in den Fachbereichen zur Verfügung stehen.
  • Die zu Beginn ausgewählte Methode muss nicht gleich alle Möglichkeiten bieten, sollte jedoch im Laufe der Zeit weiter ausbaubar sein. Bei der Auswahl der Beschreibungssprache der Prozesse müssen alle Zielgruppen in den Blick genommen werden (alle Mitarbeitenden, Organisations- oder Technikbereich) – auch zukünftige. Die Sprache muss für alle Zielgruppen leicht verständlich und trotzdem mächtig genug sein, um alle Ziele des Prozessmanagements adressieren zu können.
  • Der im DPMA eingeschlagene Weg bildete eine gute Grundlage, auch für weitere Anwendungsfälle. Auf der Basis der zu Beginn entwickelten Methode konnte das Geschäftsprozessmanagement im DPMA weiter ausgebaut werden. Motto: Klein anfangen und dann weiterentwickeln.

Fußnote

[1] Ein Prozessmanagement-Werkzeug (auch Prozessmanagement-Tool) unterstützt bei der Aufnahme, Analyse und der Optimierung und Steuerung von Prozessen. Es bietet Methoden und Funktionalitäten um Geschäftsabläufe in ihrer Gesamtheit aktiv managen zu können. Damit unterscheidet es sich wesentlich von reinen Visualisierungswerkzeugen, wie z.B. Microsoft Visio.
[2] Inklusive weiterer Detailmodelle (Funktionszuordnungsdiagramme)