Design Thinking

Typ: Artikel , Schwerpunktthema: Methoden und Techniken

verweist auf: Methoden von A bis ZMethodensteckbrief

Bezeichnung der Methode / TechnikDesign Thinking
Kategorie (Zweck)
Anwendungsbereiche
  • Probleme verstehen und lösen
  • Innovationen entwickeln
  • miteinander kommunizieren und kooperieren
KurzbeschreibungDesign Thinking ist eine Denkhaltung, Arbeitsweise, Einstellung, Methodensammlung und ein Innovationsprozess, der immer von den Nutzerbedürfnissen ausgeht. In dessen Verlauf werden verschiedene Kreativitätsmethoden angewendet.
Design Thinking ist damit ein Instrument, um aus Nutzersicht systematisch komplexe Probleme zu identifizieren und zu lösen.
Voraussetzungen / Rahmenbedingungen / Grundlagen
  • Design Thinking als Vorgehen wird von Auftraggeber- und Auftragnehmer akzeptiert
  • Auftraggeber stellt Zeit, Personen und Ressourcen für Workshops etc. zu Verfügung
  • Iterative und lösungsoffene Herangehensweise
  • Flexible Planung, die iteratives Arbeiten ermöglicht
  • Ein interdisziplinäres Team (Mix aus verschiedenen Fachbereichen und Hierarchieebenen)
  • "Kreativraum“ und „Freiraum"
  • Kommunikationsfähigkeit, Offenheit
Grobe Einschätzung des Zeit- und Personalaufwandes
  • Workshops benötigen mindestens zwei Moderatorinnen und Moderatoren
  • Workshops können bis zu zwei Tagen dauern, sind aber von der Fragestellung und der Wahl der Methode abhängig
  • Für den gesamten Design-Thinking-Prozess sollten mehrere Wochen eingeplant werden.
Vorteile/Stärken der Methode

Vorteile

  • Nutzerzentrierung
  • Innovative Ideen werden generiert
  • Unerkannte Potenziale (hinsichtlich Verbesserungen und Mitarbeitenden) werden aufgedeckt
  • Entwicklung von ersten Ergebnissen in kurzer Zeit
  • Stärkung der Akzeptanz der Ergebnisse durch gemeinsames Erarbeiten (Bottum up)
  • Positive Fehlerkultur wird gefördert
  • Enge Einbindung des Kunden
Risiken, Stolperfallen, „darauf sollten Sie achten“
  • Ergebnisse entsprechen ggf. nicht den Vorstellungen des Auftraggebers (weil Nutzerbedürfnisse und Lösungsideen woanders liegen als zunächst vermutet)
  • Keine Ergebnissicherheit im Sinne einer Produktentwicklung
  • Organisatorische Rahmenbedingungen schaffen
  • Prozess für größere Teams (ab 8 Personen) ungeeignet
  • Balanceakt, Diskussionen genug Raum zu geben und gleichzeitig effektiv durch die Workshop-Agenda zu führen
ArbeitshilfenDesign-Thinking-Prinzipien
Methodenflyer zum Design-Thinking (DIS im BZB des BVA)
Weiterführende Medien und Quellen
Praxisbeispiel

Grundlagen

Design Thinking (DT) ist eine Methode, die zum Lösen von Problemen/Herausforderungen und zur Entwicklung neuer Ideen führen soll. Ziel ist dabei, Lösungen zu finden, die aus Anwendersicht (Nutzersicht) überzeugend sind. Im Gegensatz zu anderen Innovationsmethoden kann bzw. wird DT teilweise nicht als Methode oder Prozess, sondern als Ansatz beschrieben, der auf den drei gleichwertigen Grundprinzipien aufbaut: Team, Raum und Prozess.

DT hat ein umfangreiches Spektrum an Methoden, um Problemstellungen zu identifizieren sowie nutzerzentrierte und innovative Lösungen zu entwickeln. Es eignet sich insbesondere in Situationen, in denen die zu lösende Problemstellung noch nicht genau greifbar oder der Weg zur Lösung noch ungewiss ist bzw. nicht vorgegeben ist (lösungsoffen). In dem Zusammenhang ist es wichtig, die Problemstellung klar zu definieren, um anschließend mit dem Einsatz geeigneter Methoden iterativ – also in wiederkehrenden Schleifen – vorzugehen.

Zusammenfassung der Voraussetzungen, Rahmenbedingungen und Grundlagen für Design Thinking:

  • „Kreativraum“ (kein großer Tisch, wenig Sitzgelegenheiten, Platz zum Herumlaufen, Präsentieren, freie Wände zum Beschriften, Materialien zum Prototypenbau)
  • „Freiraum“ (Geisteshaltung für eine offene Denkweise – Bedingung für die Entwicklung von Ideen und Innovationen)
  • flexible Planung, die iteratives Arbeiten ermöglicht, entsprechend auch um Prozessphasen zu wiederholen oder zurückzuspringen#
  • Iterative und lösungsoffene Herangehensweise
  • Offenheit
  • ein interdisziplinäres Team (Mix aus verschiedenen Fachbereichen und Hierarchieebenen)
  • Moderationserfahrung
  • Kommunikationsfähigkeit
  • Design Thinking als Vorgehen wird von Auftraggeber- und Auftragnehmer akzeptiert
  • Auftraggeber stellt Zeit, Personen und Ressourcen für Workshops etc. zur Verfügung
  • Methodenkenntnis zum Design-Thinking-Prozess und hinreichende Praxiserfahrungen

Vorbereitung

Um wirkungsvoll mit der Methode DT zu arbeiten, sind im Vorfeld einige Vorbereitungen zu treffen. Dabei ist es wichtig zu verstehen, dass DT mehr als nur ein Prozess ist. Vielmehr gehören zur kreativen Problemlösungsfindung auch die richtige Haltung und ein dafür geeignetes Umfeld.

Einschätzung des Zeit- und Personalaufwandes

  • Workshops benötigen mindestens zwei Moderatorinnen und Moderatoren,
  • Anzahl abhängig von Kleingruppen, die im Workshop gebildet werden,
  • Empfehlung: 1 Hauptmoderator/in, der von Top zu Top führt und die Zeitfenster im Auge hat, und einen weiteren Moderator/in, der den Hauptmoderator/in unterstützt,
  • Anzahl weiterer Moderatoren/innen ist von weiteren Kleingruppen im Workshop abhängig,
  • Workshops können bis zu zwei Tagen dauern, sind aber von der Fragestellung und der Wahl der Methode abhängig,
  • Vorbereitungsaufwand ist nicht zu unterschätzen,
  • für den gesamten Design-Thinking-Prozess sollten mehrere Wochen eingeplant werden.

Team

DT lebt von der Aufnahme unterschiedlicher Sichtweisen und der Erarbeitung kreativer Ideen, um komplexe Probleme zu lösen. Das Team sollte daher interdisziplinär aufgestellt sein und Personen mit unterschiedlichen Charaktereigenschaften beinhalten.
Besonders wichtige Eigenschaften sind neben analytischem und kreativem Denkvermögen, eine ausgeprägte Nutzerzentrierung sowie Aufgeschlossenheit gegenüber neuen Ideen und Herangehensweisen. Trotz der Heterogenität ist darauf zu achten, dass das Team auf Augenhöhe zusammenarbeiten kann.

In Hinblick auf ihre Kompetenzen sollten die Teammitglieder neben ihrem Expertenwissen in ihrem persönlichen Fachgebiet auch über Empathie und ein breites Wissensspektrum verfügen, um sich fachübergreifend eindenken und austauschen zu können.

Die Teamgröße sollte mindestens drei bis fünf Personen und nicht mehr als neun Personen umfassen, um ein effektives Arbeiten im Team zu ermöglichen. Wenn mehr Personen in den Prozess integriert werden sollen, ist die Bildung von mehreren Teams, die gleichzeitig an einer Positions- oder Aufgabenstellung arbeiten, anzustreben.

Es hat sich bewährt, dass eine Person im Team die Moderation übernimmt. Diese ist für die zentrale Steuerung des DT-Prozesses verantwortlich, moderiert innerhalb des Teams und bringt das methodische Wissen, Werkzeuge und Techniken ein.

Neben dem Kernteam ist es wichtig, relevante Stakeholder schon zu Beginn des Prozesses über das geplante Vorgehen zu informieren und, soweit dies für den Prozess sinnvoll erscheint, in das Team zu integrieren (vgl. https://www.diegluehbirne.de/).

Raum und Ausstattung

Um Workshops mit DT in Präsenz durchzuführen, sind Räumlichkeiten zu wählen, die genügend Fläche bieten, um flexibel in mehreren Gruppen an Aufgaben zu arbeiten. Für die Arbeit in Kleingruppen kann ggf. auch auf mehrere kleinen Räume zurückgegriffen werden. Um ein freies Arbeiten zu ermöglichen, sollten die Räumlichkeiten über ausreichend Platz für mehrere Flipcharts, Metaplanwände und/oder Whiteboards verfügen.

Insgesamt ist der Raum so herzurichten, dass ein kreatives und der Zusammenarbeit förderndes Arbeitsumfeld geschaffen wird. Der Kreativraum hat eine klare Funktion und soll die konzentrierte Aktivität, den Austausch und die visuelle Kommunikation in der Gruppenarbeit unterstützen. Die Raumgestaltung grenzt sich damit von der üblichen Arbeits- und Besprechungsraumatmosphäre ab.
Um an gemeinsamen Aufgaben zu arbeiten, sind entsprechende Arbeitsmaterialen und Utensilien im Vorfeld zu beschaffen und bereit zu legen. In der Regel handelt es sich um folgende Materialien:

  • Stifte, Papier, Post It‘s
  • Bastelmaterial, Lego zum Bau von Prototypen bzw. ein App um interaktive Prototypen zu erstellen
  • Moderationskarten
  • Flipcharts und Metaplanwände
  • Beamer, um Powerpoints und Keynotes darzustellen
  • Timer
  • Soundbox, um die Kreativ- und Arbeitsphasen musikalisch zu unterstützen
  • Kreppband, um Poster oder Ähnliches zu fixieren oder seinen Namen auf die Brust zu kleben

Für die Vorbereitung der Räumlichkeiten ist genügend Zeit einzukalkulieren. Sofern die Möglichkeit besteht, sollten die Räumlichkeiten bereits am Vortag des Workshops hergerichtet werden.

Alternativ können DT Workshops virtuell durchgeführt werden. Hierfür ist im Vorfeld sicherzustellen, dass alle Teilnehmenden über Zugang und Kompetenzen zur Nutzung von Videokonferenz-Tools mit Kamera und Mikrofon verfügen sowie Zugriff auf ein digitales datenschutzrechtlich geprüftes Whiteboard haben. Um ein erfolgreiches Arbeiten des Teams zu gewährleisten, müssen die Moderierenden das virtuelle Whiteboard mit agilen Methoden und Tools entsprechend aufbereiten:
https://www.openmjnd.com/2017/01/der-ideale-kreativraum-fuer-design-thinking/

Rahmen schaffen

DT-Workshops benötigen eine gute Vorbereitung und Zeitplanung. Die einzusetzenden Methoden, die konkreten Zeitansätze sowie die zu nutzenden Vorlagen sind detailliert in einer Agenda für das Team festzuhalten. Dabei empfiehlt es sich, mehrere Ausdrucke der Agenda als Teammitglieder im Vorfeld bereitzuhalten, da in der Dynamik des Workshopbetriebs mit wechselnden Arbeitsbereichen nicht selten einzelne Ausdrucke verlegt werden. Bei virtuellen Workshops ist die Agenda für alle Teilnehmenden auf dem verwendeten Whiteboard zugänglich.

Die Zeittaktung der einzelnen Workshop-Module sollte möglichst kurz ausfallen. Alle 1,5 bis 2 Stunden ist zudem eine Pause einzuplanen, um Unterbrechungen während einer Work-Session zu vermeiden. Damit im Workshop genügend freie Kapazitäten für die inhaltliche Arbeit zur Verfügung stehen, sollte im Vorfeld für jede Work-Session bestimmt werden, wer im Team welche Rolle übernimmt (Wer führt in die Work-Session ein? Wer behält den Timer im Auge? Wer betreut welche Kleingruppe? etc.). Es hat sich empfohlen, dass ein Teammitglied die Hauptmoderation (Facilitator) übernimmt und durch die Agenda führt, während die restlichen Teammitglieder unterstützend tätig sind und in den Kleingruppen moderieren.

Trotz einer sorgfältigen Vorbereitung kann es passieren, dass die vorgesehenen Zeitansätze nicht ausreichen und ausgewählte Methoden nicht zum gewünschten Ergebnis führen. In dieser Situation gilt es, mit Gespür abzuwägen, ob eine Work-Session beendet oder über ihren geplanten Zeitansatz hinaus fortgesetzt wird. Letzteres sollte in Betracht gezogen werden, sofern die Teilnehmenden weiterhin konstruktiv an ihrer Aufgabe arbeiten. Die Agenda ist daher grundsätzlich so aufzubauen, dass kurzfristige Zeitverschiebungen aufgefangen werden können.

Neben der Ausgestaltung des Kreativraumes und der Entwicklung eines entsprechenden Zeitrahmens ist es für ein erfolgreiches Gelingen auch wichtig, das richtige Mindset zu schaffen. Die folgenden DT-Prinzipien helfen dabei, die richtige Haltung bei den Teilnehmenden herzustellen.

Quelle: eigene Darstellung

Durchführung

Ausgangspunkt ist immer eine Herausforderung bzw. Fragestellung, die es zu lösen gilt. Dabei ist DT besonders geeignet, wenn folgende Voraussetzungen gegeben sind:

  • Die Fragestellung ist nicht mit bloßer Hilfe von Fachwissen zu lösen.
  • Die Fragestellung ist nicht allzu einschränkend, sondern lösungsoffen formuliert.

Beispiele könnten sein: Wie können wir einen Überblick über die aktuellen Kompetenzen unserer Mitarbeitenden in der Abteilung erhalten? Wie können wir den Informationsfluss der am Thema X beteiligten Behörden verbessern? Wie können wir Innovationen in unserem Bereich stärker fördern? Wie können wir unsere Kundinnen und Kunden bei der Antragstellung besser unterstützen?

Ausgehend von der Fragestellung sind im DT-Prozess sechs Phasen zu durchlaufen. In den ersten drei Phasen „Verstehen“, „Beobachten“ und „Sichtweise definieren“ geht es vor allem darum, ein Verständnis für das Anliegen der von der Fragestellung berührten Zielgruppe zu entwickeln (Problemraum). Aufbauend auf dem verschärften Verständnis sind in dann in den Phasen „Ideen finden“, „Prototyping“ und „Testen“ geeignete Lösungsideen zu entwickeln und mit der Zielgruppe zu erproben (Lösungsraum).

Quelle: eigene Darstellung Quelle: eigene Darstellung (Vergrößerung öffnet sich im neuen Fenster) Abbildung 1: Design-Thinking-Prozess, Digital Innovation Support


Der Verlauf durch die Phasen ist ein iterativer Prozess. Das bedeutet eine Phase wird so oft wiederholt, bis das aus Sicht der Zielgruppe gewünschte Ergebnis vorliegt und somit die Bedürfnisse der Nutzenden hinreichend berücksichtigt sind. Dabei kann auch zu bereits durchlaufenen Phasen zurückgesprungen werden, wenn sich herausstellt, dass ein eingeschlagener Weg die Bedürfnisse der Nutzenden nicht ausreichend adressiert oder diese noch nicht vollständig aufgedeckt sind.

Die Phasenbezeichnungen im DT sind nicht einheitlich festgeschrieben und können von Darstellung zu Darstellung abweichen.

Die hier aufgeführten Phasenbeschreibungen orientieren sich an dem DT-Modell des Digital Innovation Support (DIS) im Beratungszentrum des Bundes (im BVA).

1. Phase 1: Verstehen

Im ersten Schritt geht es darum, die Fragstellung bzw. Problemstellung grundlegend zu verstehen. Dazu ist die von der Problemstellung berührte Zielgruppe zu identifizieren und ein tiefes Verständnis für deren Bedürfnislage zu entwickeln. Folgende Fragestellungen helfen dabei, ein Verständnis zu erhalten, wie die Zielgruppe die Problemstellung begreift:

  • Worin zeigt sich ein Problem?
  • Was sorgt immer wieder für Schwierigkeiten oder Verärgerung?
  • Wo geht viel Zeit verloren?

Um Antworten auf die Fragenstellungen zu erhalten, kann die Zielgruppe beobachtet (z. B. durch eine Hospitation am Arbeitsplatz) oder befragt werden. Dabei können folgende Methoden zum Einsatz kommen:

  • Personas: veranschaulichen typische Vertreter einer Zielgruppe. Sie haben Erwartungen, Werte, Wünsche und Ziele und zeigen menschliche Verhaltensweisen. Eine Persona ist die Personifizierung bzw. der Prototyp einer Zielgruppe und hilft dabei, Annahmen über Kunden zu treffen.
  • Empathy-Map: verfolgt das Ziel, die Kundenbedürfnisse klar zu benennen und umfassend zu verstehen, indem sie stärker (als Personas oder Customer Journey) auf die Gefühlslage der potenziellen Kunden fokussiert und an den menschlichen Sinnesorganen orientiert.
  • Customer Journey: bezeichnet den Weg bzw. die einzelnen Zyklen, die ein potenzieller Kunde durchläuft, bevor er sich für den Kauf eines Produktes entscheidet (sowohl online als auch offline).
  • Expertengespräche: um Informationen von jemandem zu beschaffen, der das Gebiet kennt.
  • Extremnutzer/in: hilft, den typischen, durchschnittlichen Nutzenden zu finden.
  • 5W: Fragen Sie oft warum, bis Sie die notwendige Iterationsstufe erreicht haben und zu den eigentlichen Bedürfnissen der Nutzenden vorgedrungen sind.
  • Stakeholder Map: Analysieren Sie genau, wen die Innovation interessiert und wer betroffen sein könnte. Machen Sie die Beziehungen sichtbar. Das hilft, die richtigen Personen zur richtigen Zeit einzubinden.

Neben der Identifikation der Zielgruppe und deren Sichtweise auf die Problemstellung, geht es in der Phase auch darum zu klären, welche Rahmenbedingungen der Auftraggeber vorgibt und diese für alle Projektbeteiligten transparent zu machen.

Für weiterführende Links und Informationen vgl. Anlage 1: „Toolbox_DIT“ oder https://www.ph-ludwigsburg.de/...

2. Phase 2: Beobachten

Wenn es möglich ist, geht es in dieser Phase in den direkten Austausch mit dem Kunden, um deren Bedürfnisse und Prioritäten genauer zu analysieren und zu verstehen. Zu bedenken ist, dass das DT-Team hier lediglich in beobachtender und zuhörender Funktion ist. Durch das Eintauchen in die Lebenswelt der Nutzenden ist leichter zu validieren, welche Annahmen und Gedanken sich aus der ersten Phase bestätigen, aber vor allem welche Hypothesen sich nicht aufrechterhalten lassen.

3. Phase 3: Sichtweise definieren

Nachdem in der ersten Phase die Nutzenden identifiziert, deren Bedürfnisse aufgedeckt und verstanden wurden, können nun ihre Standpunkte in einer zentralen Gestaltungsaufgabe zusammengefasst werden. Dabei zählen nicht nur gesammelte Fakten, sondern auch vorgefundene Zwischentöne und Emotionen. Denn diese geben Einblick in die Erfahrungswelt der Nutzenden und können als hilfreiche Erkenntnisse für die konkrete Formulierung der Design Challenge genutzt werden. Die Design Challenge beschreibt eine klar formulierte Herausforderung, für die eine innovative Lösung gefunden werden soll. Oftmals wird diese als „Wie-könnten-wir-Frage“ formuliert.

Beispiel: „Wie könnten wir die Wartezeit für die Bewerberinnen und Bewerber (Zielgruppe) so gestalten, damit sie sich möglichst störungsfrei und entspannt auf das Vorstellungsgespräch vorbereiten können?“

Die Design Challenge gilt als hinreichend definiert, wenn eindeutige Aussagen über folgende Aspekte getroffen werden können:

  • Objekt, das durch eine Innovation verbessert oder gelöst werden soll. Zum Beispiel: Produkt, Geschäftsfeld, Prozess, Problem, etc.
  • Zielgruppe (Nutzerinnen und Nutzer bzw. Kundinnen und Kunden)
  • Stakeholder
  • möglicher Wettbewerb
  • „Need“: Wünsche, Erwartungen und Anforderungen des Nutzenden. Sie werden entweder direkt vom Nutzenden geäußert oder vom Team geschlussfolgert.

Für diese Phase sind u.a. folgende Methoden geeignet:

  • Point-of-View
  • Wie-könnten-wir-Frage
  • Reframing

4. Phase 4: Ideen finden

Nachdem durch das Durchlaufen der ersten beiden Phasen der Potenzialraum definiert ist, geht es darum, anhand der Design Challenge so viele Lösungsideen wie möglich zu generieren. Im Vordergrund der Phase steht daher Quantität und nicht Qualität. Nur durch eine Vielzahl von Ideen können diese kombiniert und der beste Lösungsansatz herausgefunden werden.

Zur Entwicklung von Ideen eigenen sich mitunter folgende Methoden[1]:

  • Bodystorming[2] : Stellen Sie sich vor, die Lösung oder der Zustand der Lösung würde bereits vorhanden sein. Nehmen Sie die dazugehörige Haltung ein: Wie interagieren Sie mit der Lösung? Was denken und fühlen Sie? Was können Sie damit anfangen und was nicht? Aus diesem Wissen heraus formulieren Sie Antworten auf die Fragen: Was macht die Lösung aus? Wie muss sie aussehen, damit sie zu der gewünschten Reaktion führt?
  • Kopfstand-Methode[3] : Stellen Sie die Frage auf den Kopf: Wie können wir das Problem noch viel schlimmer machen? Was könnte unser Team zerstören? Wie könnten wir verhindern, dass unsere Beratung noch nachgefragt wird? => Sammeln Sie Antworten auf diese Frage. => Clustern Sie die Antworten. => Leiten Sie daraus die positiven Erfolgsprinzipien ab.
  • 6-3-5-Brainstorming[4] : 6 Teilnehmende schreiben 3 Ideen auf einen eigenen Zettel und geben diesen weiter. Die nächste Person schreibt 3 Ideen darunter. Insgesamt gibt es 5 Runden.
  • Rückenwind: Alle Teilnehmenden haben einen Block Post-Its in der Hand und alle gehen durch den Raum. Ideen werden notiert und auf den Rücken anderer Teilnehmenden geklebt. Auf diese Ideen können die anderen Teilnehmenden wiederum aufbauen und weitere Ideen auf den Rücken verteilen.

In dieser Phase ist es besonders wichtig, die DT-Prinzipien zu beachten, um so wirkungsvolle Ergebnisse zu erzielen:

  • Ideen werden nicht bewertet
  • wilde Ideen
  • baue auf den Ideen anderer auf
  • es gibt keine schlechten Ideen
  • schreibe leserlich oder visualisiere am besten die Idee

5. Phase 5: Prototyping

Nun geht es darum, die gesammelten Ideen zu erproben. Dabei hilft es, die Ideen durch den Bau von Prototypen greifbar zu machen. Denn dadurch können Hindernisse und Unbedachtes leichter identifiziert werden. Zudem ermöglicht der Bau eines Prototyps ein erstes Erproben der Idee und damit die Aufnahme von Feedback für weitere Verbesserungen. Oftmals reichen einfache Bastelmaterialen oder Lego-Bausteine aus, um einen ersten Prototypen zu erstellen. Folgende Methoden sind denkbar:

  • Haptisches Prototyping (mit Lege, Knete, Karton, Play-Mais oder sonstigen Bastelmaterial)
  • Visualisieren (durch Zeichnungen, Foto-Collagen oder Videoaufnahmen)
  • Digitales Prototyping mithilfe entsprechender Apps
  • Rollenspiele, um Interaktionen zwischen Nutzenden und der Idee zu verdeutlichen

6. Phase 6: Testen

Nachdem der Prototype erstellt ist und erste Auffälligkeiten genutzt wurden, um diesen weiter zu verbessern, ist das Ergebnis nun mit dem zukünftigen Nutzerkreis zu erproben. Nur so kann tatsächlich herausgefunden werden, ob die Idee ankommt und welche konkreten Verbesserungen vorgenommen werden sollten. Das Feedback der zukünftig Nutzenden ist daher besonders wertvoll. Folgende Methoden bieten sich dafür an:

  • Präsentieren (Vorstellung des Prototypen und Einsammeln von Feedback)
  • Beobachten (Interaktion zwischen Nutzenden und Prototypen beobachten)
  • A/B-Test (zwei mögliche Varianten vorstellen und das Nutzer-Feedback vergleichen)
  • User-Test (Nutzender interagiert mit dem Prototype und denkt dabei laut nach)

Auf Basis des Nutzenden-Feedbacks gilt es nun, dieses im Team auszuwerten und Ableitungen für Optimierungen zu treffen. Dabei kann auch ein Ergebnis sein, nochmals in die Phase „Ideen generieren“ zurückzuspringen, um weitere Ideen zu sammeln und einen neuen Prototypen zu erstellen. Die Anzahl der notwendigen Iterationen gibt dabei immer das Nutzenden-Feedback vor. Erst wenn aus Sicht des Nutzerkreises der Prototype ein Bedürfnis erfüllt und diesem einen Mehrwert bietet, ist der Prozess abgeschlossen.

Nachbereitung

Am Ende des DT Prozesses steht als Ergebnis ein Prototyp. Nun beginnt für die Verwaltung die oftmals schwierigste Phase: nämlich den Prototypen in einen echten Service oder Produkt umzusetzen. An diesem Schritt kommen die IT-Abteilung des Hauses oder externe Umsetzungseinheiten zum Einsatz. Idealerweise findet die Umsetzung ebenfalls in iterativen und inkrementellen Schritten statt und knüpft damit an den DT Prozess an. Es ist aber nicht ausgeschlossen, dass die Ergebnisse aus DT auch in klassischen Projektstrukturen und Arbeitsweisen umgesetzt werden können.

Der Vorteil von agiler und iterativer Umsetzung liegt in einer schnellen Bereitstellung erster Kernfunktionen eines Produktes bzw. Services für den Kreis der Nutzenden. So können für diese Inkremente bereits ein erstes Feedback aus dem Echtbetrieb eingeholt und zeitnah Anpassungen für die Weiterentwicklung angegangen werden. Dies spart nicht nur Entwicklungskosten, sondern stellt auch sicher, dass am Ende das Produkt bzw. der Service dem Nutzerkreis einen echten Mehrwert bietet und es von seiner Akzeptanz getragen wird.
Methodisch könnte die Umsetzung von IT-Projekten in die agile Vorgehensweise nach Scrum überführt werden. Mit Scrum werden vor allem komplexe Probleme und Aufgaben zielgerichtet gelöst. (vgl. Methodenbeschreibung Scrum)

Alternativ kann auch die Lean Startup Methode, die bei Gründung von Start-Ups sowie zur Umsetzung von Ideen zum Einsatz kommt, genutzt werden. Wie bei Scrum steht auch hier das interaktive Vorgehen und das nutzerzentrierte Testen im Vordergrund. Durch wiederkehrendes Kundenfeedback und das Testen von Annahmen werden möglichst frühzeitig Rückschlüsse in der Produktentwicklung gezogen. So wird der Prozess schlank gehalten und die Wahrscheinlichkeit des Scheiterns reduziert. Lean Startup beschreibt diesen Ablauf als ”Build-Measure-Learn-Zyklus“.

Vorteile und Stärken der Methode

  • Nutzerzentrierung
  • Innovative Ideen werden generiert
  • Unerkannte Potenziale (hinsichtlich Verbesserungen und Mitarbeiter/innen) werden aufgedeckt
  • Entwicklung von ersten Ergebnissen in kurzer Zeit
  • Stärkung der Akzeptanz der Ergebnisse durch gemeinsames Erarbeiten (bottom up)
  • Positive Fehlerkultur wird gefördert
  • Enge Einbindung des Kunden

Risiken und mögliche Stolperfallen

  • Ergebnisse entsprechen ggf. nicht den Vorstellungen des Auftraggebers (weil Nutzerbedürfnisse und Lösungsideen woanders liegen als zunächst vermutet)
  • Workshop-Teilnehmer/innen haben bereits eine Lösung im Hinterkopf und können nicht mehr lösungsoffen agieren
  • Fehlendes Mindset kann Workshop behindern
  • Es entsteht keine Atmosphäre, die eine persönliche und freie Interaktion der Workshop-Teilnehmer/innen auf Augenhöhe ermöglicht
  • Keine Ergebnissicherheit im Sinne einer Produktentwicklung
  • Organisatorische Rahmenbedingungen müssen zunächst geschaffen werden (Online/ Offline, Raum, Teamzusammensetzung, Mindset)
  • Prozess für größere Teams (ab 8 Personen) ungeeignet
  • Es muss ein Umfeld geschaffen werden, damit die Teams persönlich vor Ort oder virtuell miteinander interagieren können.
  • Balanceakt, Diskussionen genug Raum zu geben und gleichzeitig effektiv durch die Workshop-Agenda zu führen

Arbeitshilfen & Praxisbeispiele

Arbeitshilfen:
Digital Innovation Support (DIS) des BZB
Methodenflyer zum Design-Thinking (DIS im BZB des BVA)

Praxisbeispiele:
Beratungszentrum des Bundes – Entwicklung der digitalen Plattform Pitch&Match
Beratungszentrum des Bundes – Entwicklung des neuen Beratungsfeldes „Prozessdigitalisierung“
Digitalisierung bestehender Antragsverfahren mehrerer Behörden
Praxisbeispiel aus der Kommune: https://verwaltungsrebellen.de/design-thinking-anja-flicker/

Fußnoten

[1] vgl. https://teamentwicklung-lab.de/4-design-thinking-phase-ideen-entwickeln/
[2] Das Bodystorming ist eine weiterentwickelte Methode des Brainstormings, bei der physische Situationen getestet werden können. Indem die Testpersonen in Situationen versetzt werden, kann Empathie hervorgerufen werden. Mit Hilfe der Ergebnisse kann problemorientierter entwickelt werden. (vgl. https://www.zukunftsdesign.net/bodystorming/)
[3] Kopfstand Methode (auch Umkehrmethode oder Flip-Flop Methode) ist eine Kreativitätstechnik zur Ideenfindung und Lösung von Problemstellungen. Durch die Umkehrung der Aufgabenstellung können interessante und unerwartete Erkenntnisse gewonnen werden. (vgl. https://www.zukunftsdesign.net/kopfstandmethode/)
[4] Die 6-3-5-Methode ist eine Variante des Brainwriting. Sie eignet sich für die erste Phase im kreativen Prozess. Mit ihrer Hilfe werden Ideen gesammelt ohne dass eine Bewertung stattfindet.